Gabriel Mauron: «So viel wie möglich wagen»

Mit Gabriel Mauron steht auch ein Romand auf dem Ticket für den Titel «Werber:in des Jahres» 2024. Als Kreativchef von Havas Switzerland hat er die Jury mit seinem Fokus auf kreativ exzellente und strategisch fundierte Arbeiten überzeugt. Im Interview mit m&k Werbewoche.ch stellt sich das einzige ADC-Mitglied aus der Westschweiz näher vor.

(Bild: m&k Werbewoche.ch/Beat Hürlimann)

m&k Werbewoche.ch: Gabriel Mauron, herzlichen Glückwunsch zur Nominierung als «Werber:in des Jahres»! Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Nachricht Ihrer Nomination erhalten haben?

Gabriel Mauron: Ich war glücklich, ja wirklich sehr glücklich. Und vor allem stolz, auf das gesamte Team. Der Hintergrund ist auch ziemlich lustig. Anna Kohler hat mich an diesem Morgen (definitiv zu) früh angerufen und ich habe ihren Anruf verpasst. Später dachte ich, dass sie aus Versehen meine Nummer gewählt hatte. So früh am Morgen konnte ich mir keinen anderen Grund vorstellen, also rief ich sie zurück und sie erzählte mir die grossartige Neuigkeit… Und nun sind wir hier und sprechen miteinander.

 

Lassen Sie uns für unsere Leserschaft Ihr Schaffen als Werber näher betrachten: Wie haben Sie persönlich das Kreativitätsniveau in der Werbebranche im Jahr 2023 erlebt?

Ich habe viele Kampagnen gesehen, die ich sehr inspirierend fand und die meine Vision meines Berufs und der Branche noch mehr unterstreichen. Zum Beispiel habe ich Kampagnen gesehen, in denen Technologien, Daten und Kreativität wirklich gut miteinander verbunden wurden. Zudem spüre ich, dass Marken immer deutlicher Positionen beziehen. Das bestärkt mich in der Überzeugung, dass die richtige Mischung aus Kreativität und Storytelling dann entsteht, wenn Leidenschaft, Überzeugungen und menschliches Denken optimal zusammenfinden.

 

Als Chief Creative Officer bei Havas Switzerland haben Sie unzählige Projekte geleitet. Könnten Sie uns von einem Projekt im Jahr 2023 erzählen, das besonders herausragend war?

Bei Havas Schweiz sind wir sehr glücklich, dass wir innerhalb der Agentur verschiedene Schwerpunkte haben: Es gibt Abteilungen für Customer Experience, Sports, Creative und Media, sodass ich in diesem Jahr die Möglichkeit hatte, an einer Vielzahl verschiedener Projekte mitzuarbeiten. Viele davon hatten einen grossen Einfluss, jedes auf seine Weise. Nespresso beispielsweise ist eine Marke, die für jede Aufgabe grosse strategische Überlegungen erfordert, die zu kreativen Ergebnissen führen, die ganz bestimmte Ziele erfüllen.

 

Ihre Arbeit bei Havas hat dazu beigetragen, die Agentur kreativ voranzubringen. Was gab den Ausschlag dafür?

Ich habe eine starke Bindung zu meinen Teams aufgebaut. Mir ist der Mensch wichtig. In einem Kreativpool gibt es Höhen und Tiefen. Und ich stelle dabei sicher, dass ich zu 100 Prozent da bin – und zwar sowohl bei den Hochs, als auch bei den Tiefs. Wir sind ein Team und sitzen alle im selben Boot. Ich habe auch grosse Achtung vor den vielen Talenten, die mich umgeben. Ich vertraue ihnen und übertrage ihnen schnell Verantwortung.

 

Gilt das auch für die Beschaffenheit von Kundenbeziehungen?

Absolut. Der Aufbau starker Kundenbeziehungen ist eines meiner Kernanliegen. Das ist entscheidend und notwendig, um diese Chemie zu schaffen, wie ich sie zuvor beschrieben habe. Denn nur durch das Vertrauen des Kunden kann eine grossartige kreative Idee entstehen und gut umgesetzt werden.

 

Wie erklären Sie Ihren beiden Kindern, was Sie als Werber tun?

Ehrlich gesagt spreche ich mit meinen Kindern nicht wirklich über Werbung. Wenn, dann bin ich es eher, der ihnen Fragen stellt. Das hilft mir, ihre Erwartungen zu verstehen.

 

Bei der Auswahl der potenziellen«Werber:innen des Jahres» wurden neben der kreativen Exzellenz auch wirtschaftliche Leistungen berücksichtigt. Können Sie uns ein Beispiel für eine Werbekampagne aus dem Jahr 2023 geben, die nicht nur kreativ war, sondern auch zu einem nachweisbaren wirtschaftlichen Erfolg für den Kunden geführt hat?

Das Business meiner Kunden zu verstehen, ist Grundlage meiner Arbeitsweise. Es ist entscheidend für mich, eng mit ihnen zusammenarbeiten zu können, um ihre Bedürfnisse, Erwartungen, Beweggründe und ihr Business vollständig zu verstehen. Zurzeit arbeiten wir mit unseren Kunden Nestlé, CANAL+ und Tamedia, um nur einige zu nennen, genau auf diese Weise. Wir erhalten damit ein besseres und genaueres Wissen über ihr Geschäft und die konkreten Businessziele, die sie verfolgen – es ist eine sehr wertvolle Quelle für Erkenntnisse. Das CX Unit innerhalb der Agentur unterstützt uns dabei. In diesem Kontext entsteht ein Vertrauen, das ermöglicht, in vielen Fällen sehr langfristige Beziehungen aufzubauen. Dieses Gleichgewicht ermöglicht es mir, die richtigen Schlüsse zu ziehen, mich auf die richtigen Kenntnisse zu beziehen und ist zentral, um die Geschäftsziele zu erreichen und sogar zu übertreffen.

 

Sie sind nicht nur in der Schweiz, sondern auch international als kreativer Kopf anerkannt, mit Auszeichnungen bei renommierten Festivals wie den Cannes Lions. Wie gelingt es Ihnen, Ihren kreativen Ansatz global zu positionieren und gleichzeitig lokale Relevanz zu bewahren?

Ich erhalte klare Zielvorgaben vom Havas-Netzwerk, das hohe kreative Erwartungen hat. Innerhalb des Netzwerks kommen regelmässig hervorragende Kampagnen hervor, was mich sehr motiviert. Es ist auch inspirierend, so viele talentierte Menschen zu sehen. Ich fordere mich ständig selbst heraus, um meine Ansprüche immer weiter zu steigern. Aber in diesem Zusammenhang bleibe ich meinen Wurzeln und der Kultur meines Landes sehr verbunden. Das Anspruchsniveau ist also zwangsläufig hoch, aber es hilft mir, für den Schweizer Markt frische, überraschende und sehr gut «gecastete» Kampagnen zu liefern. Ich versuche immer, mich zu differenzieren und so viel wie möglich zu wagen.

 

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Werbelandschaft im Jahr 2023 verändert? Gab es ein besonders prägendes Ereignis in Bezug auf Kreativität und Innovation?

Da wäre zweifelsohne die KI, mit ihren guten und schlechten Auswirkungen auf unsere Industrie. Sowie auch die ständige Anspannung, die die Welt derzeit erlebt. Dieser Kontext ist nicht hilfreich, um ein wenig Leichtigkeit in unseren Beruf und in die Kreativität unserer Projekte zu bringen. Der Begriff, der immer wieder auftaucht, ist «safe» – und zwar auf allen Ebenen.

 

Neben Ihrer Arbeit in der Werbebranche haben Sie kürzlich auch eine Reportage mit dem Titel «Homes on hold» als Fotograf realisiert. Sie dokumentieren darin unfertige, stillgelegte Häuser. Wie beeinflusst Ihre Leidenschaft für Fotografie Ihre Herangehensweise an die Werbung und umgekehrt?

Diese Bilder bedeuten mir viel, aber noch wichtiger sind die Reise und die Geschichten, die mit ihnen verbunden sind. Es ist sehr treffend, dieses Projekt als Reportage oder Dokumentation zu beschreiben. In gewisser Weise sind meine Fotoprojekte wie eine Mikrosphäre, in der ich viel lerne. Es ist eine andere Welt, die es mir ermöglicht, Menschen zu treffen, die einen echten Einfluss auf mein kreatives Schaffen ausüben. In meiner Fotografie geht es darum, wie Menschen sich an ihre Umwelt anpassen und wie sich das direkt auf die Gesellschaft und die Landschaft auswirkt. Die Verbindung ist offensichtlich, denn in der Kommunikation und Werbung stehen Menschen im Mittelpunkt der Geschichte, die erzählt wird.

 

Welche Bedeutung haben Awards für Havas – sowohl die Schweizer Agentur als auch die gesamte Agenturgruppe?

Awards sind zweifellos sehr wichtig. Meiner Meinung nach sind sie für mich als CCO, aber vor allem als Kreativer, eine schöne Herausforderung und eine grosse Motivationsquelle. Ich mag es, wenn eine hervorragende kreative Kampagne für einen Kunden angemessen belohnt und gefeiert wird. Als ich mich einmal mit einem meiner Kollegen aus dem Havas-Netzwerk unterhielt, sagte er einen Satz, der mir geblieben ist: «Festivals sind nicht wirklich ein Problem. Wenn man keine ausreichend kreativen Projekte hat, die man für Festivals anmelden kann, dann gibt es ein echtes Problem». Diese Einstellung gefällt mir.

 

Wie bringen Sie wichtige Themen wie Nachhaltigkeit und Inklusion in Ihre Werbung?

Wir sind bei diesen Themen sehr wachsam. Selbstverständlich unterstützen wir unsere Kunden bei diesen Themen mit Ehrlichkeit, Transparenz und Überzeugung. Wir haben auch schon Projekte verworfen, bei denen wir nicht zu 100 Prozent auf Linie waren, oder die nicht real oder authentisch genug waren. Innerhalb der Agentur gibt es eine echte Philosophie in Bezug auf Inklusion und Nachhaltigkeit, und alle arbeiten nach diesem Schema.

 

Als Mitglied der Geschäftsführung von Havas Switzerland arbeiten Sie eng mit CEO Jonas Eliassen zusammen. Wie trägt diese Zusammenarbeit zur kreativen Vision der Agentur bei?

Meine Beziehung zu Jonas basiert auf Vertrauen. Er lässt mir viel Freiheit, neue Dinge zu implementieren und Initiativen zu ergreifen. Ich möchte auch Camille Delesalle erwähnen, unseren Managing Director bei Havas Creative, der mich in allen beruflichen Herausforderungen und meiner Vision für die Agentur unterstützt.

 

Welche Entwicklung wird Ihrer Meinung nach die Werbebranche im kommenden Jahr prägen?

Die Werbebranche entwickelt sich rasant weiter. Mit jedem Tag kommt ein neues Werkzeug auf den Markt, und die bereits Bekannten werden immer besser. Aber auch hier gilt: Das Werkzeug allein wird nie so gut sein, wie wenn ein Mensch – ein Gehirn – die Kontrolle hat. Das gilt vor allem für die KI: Wenn man das Beste aus ihr herausholen und das Werkzeug optimal nutzen will, muss man in der Lage sein, es richtig zu bedienen und zu formen. Damit sich die KI in die richtige Richtung entwickelt und das bestmögliche Ergebnis erzielt. Kurz gesagt, ein echter Sparringspartner.

 

Als potenzieller «Werber des Jahres» 2024 repräsentieren Sie nicht nur Ihre Agentur und Ihre Arbeit, sondern auch die gesamte Schweizer Werbebranche nach aussen. Wie würden Sie Ihre Verantwortung in dieser repräsentativen Rolle beschreiben und welche Werte oder Botschaften möchten Sie dabei vermitteln?

Ich möchte ein wenig Einfachheit einbringen. All diese Veränderungen und neuen Arbeitsmittel gerne integrieren, aber das gleiche Ziel im Auge behalten: Die Kreativität muss im Mittelpunkt unseres Diskurses – und auf allen Geschäftsebenen – bleiben, denn sie wird den Unterschied machen.

 

Wenn Sie eine Superkraft hätten, die Ihnen in Ihrem beruflichen Alltag als Werber besonders helfen könnte, welche wäre das und warum?

Das typische Muster, das bei einem Pitch abläuft, vermeiden. Dies scheint mir der einzige Prozess zu sein, der sich nicht wirklich weiterentwickelt hat und der meiner Meinung nach überholt ist. Ausserdem möchte in der Lage sein, Kompromisse aus dem Weg zu räumen. Das wären aber dann schon zwei Superkräfte.


Über Gabriel Mauron

Der in Genf geborene Gabriel Mauron hat sich schon immer für Kreativität in ihren verschiedenen Formen begeistert. Er mag Strategien und Ideen, die sinnvolle Erfahrungen schaffen, Verhaltensweisen ändern und Geschäftsprobleme lösen. Ob es sich um seine persönlichen Projekte oder um Kommunikation handelt, so ist seine Arbeit ausgerichtet. Im Laufe seiner Karriere hatte er die Gelegenheit, unter anderem für Agenturen wie Saatchi & Saatchi, M&C Saatchi und Leo Burnett zu arbeiten. In den letzten Jahren wurde seine Arbeit anerkannt und er hat zahlreiche Preise gewonnen: Cannes, Epica, The One Show, LIA, NY Festival, ADC*E und ADC. Er ist der Chief Creative Officer von Havas Switzerland und das einzige ADC-Mitglied in der Westschweiz. Mauron wohnt in Genf, ist verheiratet und Vater zweier Töchter im Teenageralter.


Ausgewählte Arbeiten

Für die Tamedia-Zeitungen 24 Heures und Tribune de Genève vermittelte Havas Switzerland die Botschaft: Die Redaktionen gehen der Sache auf den Grund..

 

 

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