Andrea Bison: «Viele Chancen, uns eine neue Welt zu eröffnen»

Andrea Bison, Co-CEO, CCO und Partnerin bei Thjnk Zürich, wurde für ihre herausragenden Leistungen im Jahr 2023 erneut als «Werberin des Jahres» nominiert. Im Interview mit m&k Werbewoche.ch teilt sie ihre Erfolgsrezepte, enthüllt Strategien hinter preisgekrönten Kampagnen und spricht über die Chancen für die Werbebranche.

Andrea Bison, Beratungs-Chefin und Mitgründerin von Thjnk, nominiert zur Wahl als «Werberin des Jahres» 2024.

m&k Werbewoche.ch: Andrea Bison, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Nominierung! Ihre Leistungen haben dazu geführt, dass sie schon dreimal nominiert wurden. Wie schaffen Sie diese Kontinuität?

Andrea Bison: Die Liebe für Kreativität und die Leidenschaft für meinen Job treiben mich an – klare Ziele und hohe Qualitätsansprüche sind dabei meine täglichen Begleiter. Natürlich ist es auch harte Arbeit. Und letztlich kommt hoffentlich das Glück der oder des Tüchtigen dazu.

 

Ihre Agentur Thjnk hat 2023 den prestigeträchtigen Account der Fluggesellschaft Swiss gewonnen. Mit welcher «Methode» haben Sie Ihr Team zu dieser Höchstleistung motiviert?

Pitches sind eine Spezialdisziplin, bei der sehr viel zusammenkommen und passen muss. Die Voraussetzung für uns sind klare Pitch-Regeln, das richtige Mindset und das beste Team für die Aufgabe. Eine selbstkritische Sicht durch den gesamten Prozess hält wach, der Spass – trotz Druck und Anspannung – bringt die nötige Energie. Und der Ausblick auf einen tollen Kunden hilft, zusätzliche Kräfte freizusetzen.

 

«Stark reduziert» von Denner wurde zur Kampagne des Jahres bei den Swiss Out of Home Awards gekürt. Wie ist es zu dieser kreativen Idee gekommen und wie haben Sie dazu beigetragen?

In meinen Augen hat ein gutes Beratungsteam einen essenziellen Beitrag, wenn es um gute Ideen geht. Vor jeder Idee gibt es ein Briefing, das inspiriert. Dabei gehört Angebotskommunikation zu den herausfordernden Disziplinen, wenn man hohen kreativen Ansprüchen folgt. Und wenn eine Idee auf dem Tisch ist, braucht es ein Team, das die Idee bis zum Ende durch trägt. Kreativ betrachtet haben wir die reduzierten Preise von Denner sprichwörtlich einfach in ganz reduzierte Bildmotive grafisch übertragen.

 

Sie betonen Mut und Bauchgefühl bei der Kampagnenerstellung. Könnten Sie uns ein Beispiel aus dem letzten Jahr geben, wo dieser Ansatz besonders zum Tragen kam und zu einem herausragenden Ergebnis führte?

Neben gutem Research und strategischer Denkarbeit geht es bereits bei der Suche nach einem starken Gedanken und einem guten Insight auch um das Gefühl, ob wir damit richtig liegen. Und im gesamten Prozess der Kreationsentwicklung und Ideenbeurteilung ist ein gutes Bauchgefühl für mich eine der mächtigsten Talente und Fähigkeiten. Danach kommt dann oft der Moment, in dem es Mut braucht.

 

Haben Sie Beispiele dafür?

Für den Denner-Spot mit den singenden Ladies haben wir gespürt, dass nach der geografischen Nähe – mit Baby und Hunden – in Zeiten von Inflation und steigenden Preisen das Thema Preiswürdigkeit am Puls der Zeit ist. Und haben das mutig und ungesehen inszeniert. Die Migros-«Animonials» mit den animierten Wildtieren sind ein zweites Beispiel: Die Idee ist entstanden, weil wir unserem Gefühl gefolgt sind und die typische Hof-Romantik verlassen haben, um Migros Bio als eigenständige Marke zu etablieren. Mut brauchte die Entscheidung und die Umsetzung, dass Tiere die Vorteile – gut für die Umwelt und gut für mich – erklären. Beide Kampagnen brauchten inhaltliches Gespür, aber auch den Mut, sie so umzusetzen.

Wie erklären Sie Ihren Kindern, was Sie als Werberin tun?

Meinen Kindern muss ich nicht erklären, was ich mache. Sie begegnen den Kampagnen für unsere Kunden wie beispielsweise Ochsner Sport, Edelweiss oder Sunrise täglich. Unsere Kampagnen werden manchmal sogar in der Schule und unter Freunden sachkundig diskutiert. Ich habe also eine der anspruchsvollsten Jurys zu Hause. Und Sie sehen: Ich arbeite am Nachwuchs.

 

Welche Veränderungen haben Sie in der Werbebranche seit Ihrer ersten Nominierung als «Werber:in des Jahres» festgestellt?

Persönlich habe ich den Eindruck, eine neue Wertschätzung und Anerkennung unserer Branche zu spüren. Vielleicht auch durch die Pandemie, in der die Wirksamkeit und Kraft von Kommunikation in grossem Masse spürbar wurde. Die Pandemie hat zweifellos viele Spuren hinterlassen. Die Art zu Arbeiten hat sich verändert und eine Reihe neuer Themen und Fragen auf die Agenda gebracht. Und die Budgets erholen sich zwar wieder, sie sind aber über alles gesehen noch nicht wieder auf dem Niveau von davor. Umso glücklicher dürfen wir über unsere Agentur-Entwicklung sein: Zu zweit vor sieben Jahren gestartet, sind wir inzwischen auf ein Team von knapp 40 Mitarbeitenden angewachsen.

 

Blicken Sie in die Zukunft der Werbung, welche Veränderungen erwarten Sie in den kommenden Jahren – und wie bereitet sich Ihre Agentur darauf vor?

Wir stecken mitten in der Industrialisierung der Kreativbranche. Getrieben durch Generative AI werden wir durch die grösste Transformation gehen, die wir alle erlebt haben. Ich bin jeden Tag von der Dimension überwältigt und von den neuen Möglichkeiten fasziniert. Überwältigt bin ich natürlich auch von der Aufgabe, Lösungen für die vielen ungelösten Fragen zu finden. Neben den offenen Fragen sehe ich aber vor allem viele Chancen für uns im Kreativbereich, die gewohnten Grenzen zu überschreiten und uns eine neue Welt zu eröffnen, die unsere Arbeit bereichert.

 

Worin kommt das bereits jetzt zum Ausdruck?

Mit meiner Kreativpartnerin und loved-Geschäftsführerin Mieke Haase, die auf Instagram mit @miekehasseai und ihrem Page– und einem Brand-Eins-Cover bereits zur Vorreiterin geworden ist, treiben wir die Vision für uns mit grosser Leidenschaft voran. Die ersten Herzstücke sind dabei der Aufbau unseres AI Studios für Auftragsarbeiten und unsere AI Engine «Raiin», die wir für Bildkreation auf Top-Niveau entwickeln.

 

Wie fördern Sie innerhalb Ihrer Agentur ein Umfeld, das Kreativität und Innovation unterstützt?

Wir kreieren einen Safe Space, in dem freies Denken und Arbeit auf Augenhöhe oberste Prämisse sind. Wir teilen alle gemeinsam die Leidenschaft für Ideen und Kreativität und bewundern und fördern das Talent aller. Dabei ist unsere Philosophie: Kreativität ist nicht nur der Kreation vorbehalten. Alles kann kreativ sein: Die Kundenberatung, die Strategie, die Prozesse, das Verkaufen von Ideen.

 

Wie bringen Sie wichtige Themen wie Nachhaltigkeit und Inklusion in Ihre Werbung?

Wir haben ein eigenes Programm für unsere Green Standards, an dem wir ständig arbeiten. Bezogen auf die Arbeit für unsere Kund:innen haben wir mit Thjnk Green ein Angebot für Nachhaltigkeitsthemen geschaffen. Im Hinblick auf Inklusion haben wir in der Agenturgruppe Diversity Circles für verschiedene Communities aufgebaut, die wir für Checks nutzen oder als Experts hinzuziehen, und arbeiten mit externen Communities zusammen.

 

Neben dem beruflichen Erfolg betonen Sie auch die Bedeutung eines guten Arbeitsklimas in einer Agentur. Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselfaktoren für ein solches Arbeitsumfeld, und wie tragen Sie persönlich dazu bei?

Eine Agentur ist ein Biotop. Damit das Ökosystem funktioniert, braucht es Nahrung, Pflege und Schutz. Das alles Entscheidende ist, dass das Klima stimmt. Das kann das Klima in einer Agentur sein, aber auch das Klima in einem Unternehmen, das uns den Auftrag erteilt. Unsere Aufgabe in der Führung ist es, dieses Klima zu schützen und zu fördern. Dann können Menschen über sich hinauswachsen und grossartige Dinge entstehen. Und dann übersteht es auch mal einen Sturm.

 

Als «Werberin des Jahres» würden Sie die Schweizer Werbebranche nach aussen repräsentieren. Wie möchten Sie dazu beitragen, ein positives Bild der Branche zu vermitteln – und welches würde Ihr Kernanliegen sein, das Sie nach aussen tragen wollten?

Ich bin seit über 20 Jahren Beraterin in Kreativagenturen. Unschwer zu erkennen, bin ich grosser Fan unserer Branche. Mit unserer Agentur möchten wir Vorbild sein für talentierte Menschen aller Art – und Anziehungskraft ausstrahlen für das inspirierende und kreative Umfeld. Wir möchten den Nachwuchs anregen, die Vielfalt und den Abwechslungsreichtum unserer Branche erleben zu wollen und das grosse Potenzial für eine persönliche Entwicklung zeigen. Ein weiteres Kernanliegen ist: Die Chancen, die Generative AI für unsere Branche bietet, gemeinsam zu erkennen und positiv zu nutzen. Ganz nach unserem Motto: Willkommen auf einer Reise, die wir alle nicht gebucht haben!

 

Wenn Sie Ihre Agentur Thjnk in ein Musikgenre verwandeln müssten, welches wäre das und warum?

Thjnk ist eher ein Festival. Wir laden grosse Gruppen von Menschen zur Teilnahme ein, sprechen unterschiedliche Zielgruppen und Interessen an, wir unterhalten, berühren und können manchmal auch polarisieren. Und am Ende bleiben wir hoffentlich in Erinnerung.


Über Andrea Bison

Andrea Bison, Gründerin und CO-CEO der preisgekrönten Werbeagentur Thjnk Zürich, ist zum vierten Mal für den Titel «Werberin des Jahres» nominiert. Mit ihrer Agentur, die 2022 das Kreativranking anführte, holte sie sich 2023 den prestigeträchtigen Account der Fluggesellschaft Swiss und gewann mit ihrer Kampagne «Stark reduziert» von Denner den Swiss Out of Home Award als Kampagne des Jahres. Mut und Bauchgefühl sind für sie Schlüsselkomponenten bei der Kampagnenerstellung. Neben zahlreichen Auszeichnungen wie dem Edi.23 Gold für Migros Bio und einem ADC-Silberwürfel für Ochsner Sport liegt ihr Fokus auf qualitativem Wachstum und Kundenzufriedenheit. Bison betrachtet Kreativität als essenziell für das florierende «Biotop» einer Agentur und setzt sich aktiv für ein positives Arbeitsklima ein. Trotz der Anerkennung durch Awards bleibt für sie die Innovation und Transformation der Agentur und der ganzen Werbebranche von höchster Bedeutung.


Ausgewählte Arbeiten

Mit der Denner-Kampagne «Stark reduziert» holt sich Thjnk den Hauptpreis «Campaign of the Year» bei den Swiss Out of Home Awards.
Mit den Wool Jerseys für Ochsner Sport gewann Thjnk Zürich Silber bei den ADC Awards 2023.

Die «Animonials» für Migros Bio. Die CGI-Videoserie bescherte Thjnk Zürich einen goldenen Edi.

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