Aufgefallen: Zu viel ist zu viel. O. K. Vielleicht auch nicht, zumal sich das Magazin ja The Oprah Magazine nennt.

Zu viel ist zu viel. O. K. Vielleicht auch nicht, zumal sich das Magazin ja The Oprah Magazine nennt. Doch 12 Seiten mit Fotos der bekanntesten Entertainerin der USA, Titel inklusive, ist doch etwas übertrieben. Hinzu kommen noch fünf Seiten Oprah-In

Zu viel ist zu viel. O. K. Vielleicht auch nicht, zumal sich das Magazin ja The Oprah Magazine nennt. Doch 12 Seiten mit Fotos der bekanntesten Entertainerin der USA, Titel inklusive, ist doch etwas übertrieben. Hinzu kommen noch fünf Seiten Oprah-Interviews mit Toni Morrison, Gloria Steinem, Marion Jones und Christiane Amanpour. Und damit nicht genug: Über jede Oprah-Aussage kann zusätzlich auf www.oprah .com diskutiert und philosophiert werden. Während wir uns hier über effiziente Kundenbindungsmassnahmen den Kopf zerbrechen, macht die wortgewandte Geschäftsfrau unverblümt vor, was Starbindung sein kann. Diversifizierung bis ins letzte Detail. Angefangen mit der starken TV-Präsenz bis hin zur Medienpräsenz, die nicht allein darin besteht, über andere zu berichten, sondern der Leserschaft mitzuteilen, wie man sich im Leben verhalten soll. Sei das in psychologischen oder ganz alltäglichen Belangen. Ganz im Sinne von «Nicht verzagen, Oprah fragen». Fazit: Oprah for President. Zusammen mit Hillary Clinton, vielleicht. O. K. Das ist aber endgültig zu viel. Chandra KurtKolumne

Kommunikation, unsensibel
Von Mike Müller
Immer wieder ist von der Kritik an «unsensibler Kommunikation» zu lesen: SBB-Gehälter, SAir-Abfindungen, Kantonalbank-Boni. Wahrlich, da wurde hemdsärmlig kommuniziert. Während in der Armee mit modernen Mitteln kommuniziert wird, verfällt die Liga der Verwaltungsräte in den Umgangston einer alten Kampfsau. Der Massanzug wird zum Metzgerschurz, der Vierfruchtkampfanzug zum Batikoverall.
Die Erklärung ist einfach: Die Topshots der Schweizer Wirtschaft bilden sich nach dem HSG-Abschluss am falschen Ort weiter, zum Beispiel im Entlebuch; den Metzgerschurz (Ackermann-Versand) haben sie als Gadget am letzten Workshop-Tag geschenkt erhalten. Was genau ist nun passiert auf jenem Viehmarkt von Wolhusen, als Lalive, Honegger und Schmidheiny in einer praktischen Übung einem Grosshändler aus Luzern einen alten Schafbock verkaufen mussten? Alle drei begannen erst mit gewählten Worten, den Schafbock zu loben, verwiesen auf das schön ausgebildete Portfolio zwischen den Schenkeln und versuchten gar noch einen leicht derben Männerwitz, um des Grosshändlers Kaufbereitschaft zu erwecken. Dieser nahm einen tiefen Zug von seinem Stumpen und ging kopfschüttelnd davon. Geläutert probierten die CEOs ihr Glück an einem Viehhändler aus dem Napf, setzten die arroganteste Städtermiene auf, die sie mit ihren wichtigen Gesichtern überhaupt nur hinkriegten, und verkauften den Schafbock zu einem weit überhöhten Preis.
Ein Redaktor der Entlebucher Woche, der den Vorgang beobachtet hatte, wollte ein Bild der drei Mannen knipsen. Die nahmen ihm den Film ab und gaben ihm ein paar Powerpointfolien. In Englisch stand da geschrieben, dass sie auf Grund der Maul- und Klauenseuche keine Interviews geben könnten. Sie verwechselten ihre Doktorentitel mit dem Arztgeheimnis.
mikemüller@dplanet.ch
Mike Müller ist Darsteller und
Berufsschullehrer.
Sprachbeobachter

Spralchemie – Sprache zwischen Geld und Geist
Als das Alphabet 1500 vor Christus erfunden wurde, bestand die Elite, die es benutzte, zur Hauptsache aus Händlern und Kaufleuten. Unter den ersten alphabetisch festgehaltenen Informationen, die als Tafeln aus Kreta und Syrien vorliegen, sind viele Lagerlisten, Abrechnungen, Umwandlungstabellen von Massen und Gewichten und so weiter.
Nicht nur die Sprache ändert sich, sondern auch die Art, wie wir sie einsetzen. Seit rund zweihundert Jahren dient sie zum Beispiel zunehmend auch kommerziellen Zwecken. Hier soll sie Aufmerksamkeit erzeugen, ein Produkt vorstellen und seine Vorteile zeigen (klassische Werbung), die Fantasien und Sehnsüchte der Menschen wecken sowie den Wunsch, auch dazuzugehören (Lifestyle), ein Unternehmen im besten Licht präsentieren und Sympathien wecken (PR), prägnante Botschaften ins Bewusstsein pflanzen (Claims und Naming), den Menschen durch eine bestimmte Ansprache ein gutes Gefühl geben und sie als Kunden an ein Unternehmen binden (Corporate Language). Die Sprache soll das Geschäft fördern.
Das Aneinanderreihen von Buchstaben kann Gedanken, Gefühle oder Geld erzeugen – wenn die Reihenfolge stimmt. Ein G, ein e, ein l und ein d – Geld. Geld ist eines unter vielen Wörtern der Sprache. Doch es hat die faszinierende Eigenschaft, dass es, als Sprache eingesetzt, tatsächlich Geld erzeugen kann: Es ist in der Lage, sein Wesen aus seiner sprachlichen Form heraus selbst zu erschaffen. Dies zeigen Prospekte von Banken und Versicherungen. Gerät die Sprache in den Sog des Geldes? Wohin führt es, wenn sich die Werbung zunehmend der Kultur bemächtigt? Müssen wir Sprachvereine gründen?
Die Verteidigung der Sprache ist nicht nötig. Solange es immer wieder eine neue Generation gibt, die sie neu (er)findet, bleibt sie jung und fit. Sie lebt und wandelt sich, nimmt neue Begriffe auf, auch aus anderen Kulturen, integriert sie, wandelt sie um, verdaut auch die «saloppen Sprachschöpfungen gewissenloser Werbetexter», sie ist flexibel, biegsam, elastisch, sie liefert jeden Tag frische Wörter und Arten, sich auszudrücken, sie treibt neue Blüten…
Denken wir zurück an die Lagerlisten aus Kreta und Syrien. Auch wenn die Buchstaben in den Höhepunkten unserer Schriftkultur (religiöse, literarische, philosophische, wissenschaftliche Werke) anders verwendet wurden, ist die Tatsache, dass sie heute vermehrt wieder kommerziellen Zwecken dienen, bloss eine Rückkehr zu den Ursprüngen.
Beat Gloor, www.textcontrol.ch

Weitere Artikel zum Thema