Parlamentswahlen 2019: Riskiert die Schweiz einen digitalen Blindflug?

Nur 18 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten für die Eidgenössischen Wahlen 2019 haben sich die Mühe genommen, die Fragen des Digitalisierungsmonitors zu beantworten und so ihre Haltung transparent zu machen. Immerhin: Jene, die an der Befragung teilgenommen haben, sehen mehr Chancen als Risiken.

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Das Thema Digitalisierung spielt bei vielen Politikerinnen und Politikern immer noch eine untergeordnete Rolle: Zwar haben 3571 ihr Smartvote-Profil erstellt, aber nur 18 Prozent aller Kandidierenden (828 von Total 4596) für ein Nationalratsmandat haben auf Smartvote die Zusatzumfragen zu Digitalisierungsthemen ausgefüllt. Der Digitalisierungsmonitor wurde von Swico in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule BFH und den Universitäten Zürich und Genf lanciert.

Für Swico-Präsident Andreas Knöpfli sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: «Die Digitalisierung ist in Bern immer noch nicht angekommen. Von den rund 4600 Kandidierenden, die nach Bern wollen, hat sich nur ein Bruchteil mit dieser Entwicklung auseinandergesetzt, die unsere Gesellschaft gerade grundlegend verändert.» Knöpfli sieht entsprechend Handlungsbedarf: «Das neue Parlament muss die neue Legislaturperiode unbedingt nutzen und digitale Themen stärker in der politischen Agenda priorisieren». 

 

Wie digitalaffin sind Politiker?

Grundsätzlich sehen alle Parteien eher Chancen als Risiken und beurteilen die Auswirkungen positiv. Frauen sind tendenziell skeptischer als Männer. Am positivsten gestimmt sind bei den grossen Parteien FDP mit 81 Prozent und GLP mit 75 Prozent. Am höchsten ist der Anteil der Skeptiker bei den Grünen mit 14 Prozent. 

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Grössere digitale Affinität bei den Neuen

Ein Blick auf die Neuen zeigt immerhin einen Hoffnungsschimmer: Sie scheinen insgesamt digital affiner und setzen sich stärker mit digitalen Themen auseinander als die wiederkandidierenden Nationalrätinnen und Nationalräte. 

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Digitalisierung als Chance

Mehrheiten in allen Parteien stimmen den Aussagen zu, dass die Digitalisierung den Wohlstand sichert, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert und dass die Qualität der Arbeit zunimmt. Fast einstimmig unterstützen die Parteien zudem die Aussage, dass die Digitalisierung den Zugang zu Wissen und Bildung erleichtert.

 

Auswirkung auf die Wirtschaft

Das positivste Bild von den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Wirtschaftsleben haben über alle Aussagen betrachtet die FDP-Kandidatinnen und Kandidaten, am skeptischsten sind die Grünen. Kontrovers werden vor allem die Aussagen bezüglich Schaffung von Arbeitsplätzen und Verringerung des Arbeitnehmerschutzes beurteilt.

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Mehr Tempo bei der Digitalisierung wünschen FDP und GLP

Während die Parteien einzelne Themenbereiche sehr unterschiedlich beurteilen, zeigt sich über alle Bereiche konstant: Die Kandidierenden der GLP und der FDP wollen am schnellsten vorangehen. Bei der SVP sind die Kandidierenden deutlich zurückhaltender, sie wollen am seltensten das Tempo erhöhen.

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Uneinigkeit bei den Massnahmen

Bei den zu treffenden Massnahmen gehen die Meinungen auseinander. Die Mehrheit der Kandidierenden findet, dass in der Volksschule in Sachen ICT-Kompetenzen (viel) zu wenig getan wird. Ausser der SVP befürworten alle Parteien Umschulungsmassnahmen als Reaktion auf die Veränderungen; das bedingungslose Grundeinkommen findet dagegen nur bei SP und den Grünen Zustimmung.

Die Besteuerung von (KI-unterstützter) Hard- und Software (Robotersteuer) wird von SP und Grünen klar begrüsst; von FDP und SVP klar abgelehnt; CVP, glp und BDP sind hier gespalten. SP, Grüne, CVP und BDP wünschen sich eine stärkere Regulierung von Online-Vermittlungsgeschäften wie Airbnb oder Uber, FDP und GLP sind dagegen, wobei Junge sich deutlich weniger für Regulierung aussprechen.

 

Und die Frauen?

Bei der Geschlechterverteilung zeigt sich ein ähnliches Bild, wie in der Wirtschaft: Frauen sind untervertreten. Bei der Smartvote-Befragung haben 2139 Männer und 1442 Frauen geantwortet (je 78 Prozent der Kandidierenden). Die Fragen des Digitalisierunsmonitors haben 21 Prozent der Männer, aber nur 13 Prozent der Frauen beantwortet.

Frauen sind, mit Ausnahme beim E-Voting, auch eher skeptischer als Männer. «Frauen müssen mehr für die Digitalisierung sensibilisiert werden», sagt Swico-Präsident Andreas Knöpfli dazu. «Wir müssen den Frauenanteil in MINT-Fächern forcieren und Frauen in allen Bereichen gezielt fordern und fördern.»

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Im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober 2019 hat Swico in Zusammenarbeit mit der Online-Wahlhilfe «Smartvote», der Berner Fachhochschule BFH, der Universität Zürich und der Universität Genf, den «Digitalisierungsmonitor 2019» lanciert.

Zusätzlich zu vier Fragen zur Digitalisierung im Rahmen des Smartvote-Standardfragebogens hatten Kandidierende die Möglichkeit, in einer Zusatzumfrage ihre Positionen bezüglich verschiedener Digitalisierungsdimensionen kundzutun und ihre Haltung gegenüber der Öffentlichkeit so transparent zu machen.

Judith Bellaiche, Geschäftsführerin von Swico, kandidiert für den Nationalrat. Sie hat, zur Vermeidung allfälliger Interessenskonflikte, bewusst auf eine Teilnahme verzichtet.

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