Finanzkontrolle kritisiert BAG wegen Beschaffung von Impf-App
Bei der freihändigen Vergabe einer Corona-Impf-Applikation durch das Bundesamt für Gesundheit BAG hat die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK zahlreiche Versäumnisse und Schwachpunkte festgestellt. Im am Montag publizierten Bericht war die Rede von nicht nachvollziehbaren verrechneten Leistungen und einem Interessenskonflikt bei der Vergabe ohne formelles Verfahren.
Insbesondere kritisierte die EFK fehlende Transparenz bei der Kostenabrechnung für die Beschaffung eines Anmelde-, Registrier- und Terminsystems mit Impfdokumentation im Gesamtumfang von 11,15 Millionen Franken durch das BAG.
Namentlich im zweiten Semester 2021 hätten die Leistungserbringer – berücksichtigt wurden zwei anfänglich miteinander verbundene Unternehmen – Leistungen im Umfang von circa zwei Millionen Franken verrechnet, heisst es im Bericht. Die in diesem Zeitraum in Rechnung gestellten Kosten seien angesichts der in diesem Zeitraum entwickelten Funktionalitäten «nicht nachvollziehbar». Das BAG habe aber dieses Missverhältnis zwischen Leistungserbringung und Abrechnung nicht hinterfragt.
Abrechnungspraxis nicht nachvollziehbar
Über mehrere Monate seien auch Pauschalbeträge in der Höhe von jeweils rund einer halben Million Franken in Rechnung gestellt worden – obwohl die Leistungen vertraglich nach Arbeitsaufwand abzurechnen seien. Auch dort habe das BAG die Abrechnungspraxis nicht nachvollziehbar begründet, schrieb die EFK.
Eine inhaltliche Kontrolle der in Rechnung gestellten Leistungen können zudem nicht vorgenommen werden, weil keine Arbeitsrapporte vorlägen, obwohl die Lieferanten vertraglich zur Ablieferung von solchen verpflichtet gewesen wären. «Das BAG hat diese nie angefordert, sodass de facto keine inhaltliche Rechnungsprüfung stattgefunden hat.»
Weiter machte die EFK einen Interessenkonflikt geltend. Weil die Position des Leiters Digitalisierung Covid-19 kurzfristig neu besetzt werden musste, sei dafür ein externer Mitarbeiter als Mandatnehmer hinzugezogen worden.
Dieser war aber mit dem Geschäftsführer einer der beiden Leistungserbringer bekannt. Zum Prüfzeitpunkt seien die beiden Geschäftspartner in Drittfirmen gewesen. Aus den Gesprächen mit dem BAG sei nicht eindeutig hervorgegangen, ob dieser «dem Anschein nach vorliegende Interessenkonflikt» offengelegt worden sei.
BAG verweist auf Dringlichkeit
In einer Stellungnahme räumte das BAG ein, dass ihr Vorgehen angesichts der Krisenlage und der Dringlichkeit nicht den üblichen Prozessen entsprochen habe. Das BAG habe sich darum für eine freihändige Vergabe entschieden.
«Mit dem üblichen Beschaffungsprozess wäre das System erst rund drei Monate später bereit gewesen», schrieb das BAG. Dass rasch eine Lösung aufgeschaltet werden konnte, habe die Impfkampagne beschleunigt und vielen Menschen rasch Zugang zur Impfung ermöglicht.
Einzelne Kritikpunkte wies die Behörde aber zurück. So verwies das BAG auf eine schriftliche Erklärung des ehemaligen Abteilungsleiters Digitale Transformation, worin dieser bestätige, dass der Mandatnehmer ihn bereits beim Erstgespräch über die Vernetzung mit dem Geschäftsführer von einem der beiden Leistungserbringer informiert hatte.
Auch der Verdacht, dass dem BAG für das zweite Semester 2021 nicht nachvollziehbare Leistungen in Rechnung gestellt worden sind, teilt die Behörde laut Stellungnahme nicht.
Die Lieferantin habe in diesem Zeitraum bei laufendem Betrieb die Anpassungen aus den Impfempfehlungen umgesetzt und weitere in Auftrag gegebene Elemente umgesetzt, so das BAG. Und trotz einer kurzfristigen Verschiebung der Kampagne seien alle Leistungen termingerecht und zuverlässig erbracht worden. «Die gewählte Strategie erwies sich somit als erfolgreich, der Betrieb war stets gewährleistet», schrieb das BAG.
Die EFK-Empfehlungen seien vom BAG zum grössten Teil bereits umgesetzt worden, hiess es weiter. Für zukünftige Krisenbewältigungen werde es wichtig sein, die Experten für öffentliche Ausschreibungen enger in die Krisenorganisation einzubinden.
EFK relativiert Kritik
Die EFK kommentierte die Stellungnahme des BAG nicht. Sie schrieb aber im Bericht, dass die Versäumnisse und Schwachpunkte bei der Beschaffung im Kontext der damaligen ausserordentlichen, wenig planbaren Lage zu relativieren seien.
In der Tat musste es schnell gehen, als das BAG Mitte Oktober 2020 die Beschaffung und Entwicklung in die Wege leitete. Bereits Mitte Januar 2021 wurde die entwickelte Applikation von den beteiligten Kantonen aufgeschaltet und war produktiv.
Mittlerweile sind die vertraglichen Verpflichtungen des BAG beendet, wie die Behörde betont. Die Kantone hatten die Möglichkeit, die Systeme bei Bedarf zu übernehmen. (SDA)