Der Wendepunkt für werbefinanzierte Videodienste

Die Nutzung von Online-Medien ist während der Corona-bedingten Einschränkungen regelrecht in die Höhe geschossen. Für die Anbieter entsprechender Inhalte bedeutet das eine ganz neue Herausforderung: Sie müssen sich mehr denn je einfallen lassen, um Zuschauer bei der Stange zu halten und Abwanderungen auf andere Plattformen zu vermeiden, so Victor Potrel von TheSoul Publishing.

AVOD-Corona-Potrel

Der Aufstieg von Netflix, Amazon Prime Video, Disney+ und einer Menge anderer SVOD-Plattformen (Subscription Video on Demand), also Video-Bezahldienste, führte zu vielen Diskussionen darüber, wie Abo-basiertes Videogeschäft funktionieren kann. Das gilt sowohl für den Aufbau als auch für dessen Betrieb. Inzwischen sind die Modelle etabliert und haben sich für Verbraucher als sehr nützlich und für die Produzenten der Inhalte als gewinnbringend erwiesen; und das, obwohl letztere Milliarden in die Erstellung von Inhalten sowie Plattformen investiert haben.

Weniger im Mittelpunkt der Diskussion steht der AVOD-Markt (Advertising on Demand oder werbebasierte Videos auf Abruf). Auf ihm wird die Erstellung der Inhalte hauptsächlich durch Werbeeinnahmen finanziert. Während jedoch der Wettbewerb bei den SVOD-Diensten zunimmt und so die Preise nach unten treibt, ist AVOD ein etablierter und starker Markt – und weist gemäss Digital TV Research weiterhin enormes Potenzial auf: 2024 sollen die globalen Umsatzerlöse im AVOD-Bereich demnach 56 Milliarden US-Dollar erreichen.

 

Niedrige Eintrittsbarrieren erleichtern Start – doch ohne Strategie geht es nicht

Die weltweit grössten und erfolgreichsten AVOD-Plattformen – insbesondere YouTube und Facebook Watch – haben eine niedrige Eintrittsbarriere, was das Erstellen von Inhalten erleichtert. Daher ist das eigenverantwortliche Broadcasting und der zielgerichtete Aufbau eines Publikums vergleichsweise einfach möglich: Je mehr der Bekanntheitsgrad des jeweiligen Produzenten zunimmt, desto besser sind auch seine Möglichkeiten, Geld mit «seinem» Kanal zu verdienen. Die Option, Inhalte auf weiteren Plattformen zu publizieren, steigert diese Monetarisierungsmöglichkeiten nochmals.

Gleichwohl gilt auch im AVOD-Markt der Wettbewerb als ein wichtiger Faktor. Denn es kann durchaus herausfordernd sein, ein lukratives Geschäft auf einem Werbemodell aufzubauen. Das gilt umso mehr, wenn Plattformen Dritter ins Spiel kommen – denn auch sie wollen ihren fairen Anteil an den Einnahmen. Zudem schwanken sowohl Zuschauerzahlen als auch Werbeeinnahmen. Kurz gesagt: Auch hier benötigen aufstrebende Content-Ersteller eine Strategie, deren Kern eine flexible und effiziente Produktion ist. Folglich ist es wichtig, auf hochgradig anpassungsfähige Produktionsprozesse zu setzen. Sie ermöglichen es, auf die dynamischen und meist steigenden Anforderungen der Plattformen sowie auf die sich verändernden Bedürfnisse des Publikums stets die richtige Antwort zu haben.

 

«Franchise-Vorteile» nutzen

Das AVOD-Geschäft bietet, neben des relativ leichten Einstiegs, zahlreiche weitere Vorteile. So können auch Neulinge eine grosse, globale Nutzerbasis erreichen. Feedback-Mechanismen sind bereits eingebaut und ab dem Start nutzbar. Kreative Freiheit vervollständigt die Liste der Vorteile. Die Rückmeldungsfunktionen sorgen zudem dafür, die eigene Zielgruppe dergestalt zu nutzen, um die eigene Kreativität optimal einzubringen. Definierte Kennzahlen liefern dabei ein klares Verständnis: Entspricht die für das Video erbrachte Leistung den Erwartungen der Zuschauer? Entspricht das Video selbst den Erwartungen, und gefällt es ihnen? Auf einem Kanal wie Brightside fällen die zuständigen kreativen Köpfe zum Beispiel die Entscheidungen täglich nach den Rückmeldungen des Publikums.

Wenn ein bestimmtes Thema oder ein Video-Produzent dabei besonders gut abschneiden, ist das in der Regel der Startschuss für weitergehende Aktivitäten – denn so steigt die Wahrscheinlichkeit, die Zuschauerzahlen und damit auch die Umsätze in diesem Umfeld weiter zu steigern. Letztlich wird es in der Regel das Ziel für AVOD-Kreativteams sein, sich auf Themen mit Allgemeingültigkeit zu konzentrieren, die Gemeinschaften zusammenbringen können. Jedoch haben bisweilen auch Nischenideen das Potenzial, Begeisterung bei einer grösseren Zuschauermenge zu finden – sie sollten daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die Faustregel lautet: Solange ein globales Publikum grundsätzlich adressiert werden kann, besteht auch das Potenzial, mit einem Kanal eine globale Marke zu etablieren. Gross zu denken ist also durchaus erlaubt.

 

Unterhaltung ist ein gefragtes Gut

Die meisten AVOD-Plattformen machen es Kreativen recht einfach, neue Inhalte zu veröffentlichen oder eine Marke aufzubauen – aus gutem Grund, es ist immerhin in beidseitigem Interesse. Genehmigungen und Freigaben, Gatekeeper oder Kreativ- beziehungsweise Vertriebskontrolle stellen in der Regel keine grossen Hürden dar. Kreativteams haben somit die Möglichkeit, ständig neue Konzepte zu testen und zu veröffentlichen. So können sie neue Partner und Zuschauer gewinnen und langfristig erfolgreiche Projekte aufbauen sowie betreiben. Denn nicht erst seit ein Grossteil der Weltbevölkerung durch die Cornona-Pandemie mit Einschränkungen leben muss, ist Unterhaltung ein gefragtes Gut.

Das positive Momentum hilft den Kreativen: Es ist wichtiger denn je, Menschen Spass und positive Inhalte zu bieten – das bedeutet nicht, sie dauerhaft vor Bildschirme zu bannen. Vielmehr können die richtigen Inhalte Anregungen sein, Bewegung zu Hause oder Familienaktivitäten zu fördern. Dass Werbeausgaben dabei derzeit auf dem Prüfstand stehen, muss kein Hindernis sein, im Gegenteil: Viele Insider glauben, dass der AVOD-Sektor den Sturm besser überstehen und sich schneller erholen wird, denn dessen Werbeeinnahmen sind nicht direkt an Live-TV und Sportprogramme gebunden. Wenn dieser Markt weiter in Richtung Mainstream reift, könnten traditionelle Abonnementdienste überrascht sein, wie schnell sie sich mit einer Vielzahl neuer AVOD-Herausforderer konfrontiert sehen.

Victor Potrel ist Vice President für Plattformpartnerschaften bei TheSoul Publishing.

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