Linkedin Top Voice Selma Kuyas: «Es herrschen grosse Wissenslücken»

Jährlich ernennt LinkedIn Top Voices, die mit ihren Beiträgen und ihrer Aktivität auf LinkedIn herausragen und relevante Diskussionen anstossen. 2022 wurde die Expertin für Bewerbung Selma Kuyas in der Kategorie «Job und Karriere» ausgezeichnet. Für Kuyas ist es die zweite Auszeichnung.

Linkedin Top Voice

LinkedIn hat am Mittwoch zum fünften Mal die «LinkedIn Top Voices» für Deutschland, Österreich und die Schweiz bekanntgegeben. Als einzige Schweizerin wurde die Expertin für Bewerbung Selma Kuyas in der Kategorie «Job und Karriere» ausgezeichnet – zum zweiten Mal in Folge.

«Die erneute Würdigung interpretiere ich als Wertschätzung für mein Engagement für Bewerbende. Mir war schnell klar, dass ich nach Ausbruch der Pandemie und der prekären Lage am Arbeitsmarkt die LinkedIn Community noch mehr unterstützen muss. Unter anderem habe ich ehrenamtlich in Zusammenarbeit mit Social Schweiz online Events für Stellensuchende mit bis zu 1’600 Teilnehmenden durchgeführt», so Kuyas.

Pandemie legte Finger in offene Wunden des Arbeitsmarktes

Kuyas zufolge hat die Pandemie vieles offengelegt, was im Arbeitsmarkt schon seit Jahren schiefläuft. Sei es, dass Homeoffice endlich als Arbeitnehmerbedürfnis erkannt wurde oder dass eine Identifikation mit dem Arbeitgeber eine gewichtigere Rolle erhalten habe. Wie sind Unternehmen während der Krise mit dem Personal umgegangen? Wie wurden Mitarbeitende begleitet und gefördert – oder eben nicht?

Durch die Pandemie haben viele Menschen ihre Jobs verloren, weil ganze Branchen lahmgelegt wurden oder gewisse Jobprofile quasi über Nacht nicht mehr gefragt waren. Als Nebeneffekt der Pandemie erkennt Kuyas die Tendenz, dass sich viele Angestellte plötzlich bewusster und intensiver mit der eigenen Karriereplanung auseinandersetzen.

LinkedIn ist das wichtigste berufliche Netzwerk in der Schweiz

Die Social-Media-Plattform LinkedIn verzeichnet in den letzten Jahren einen starken Zuwachs und zählt nur in der Schweiz bereits mittlerweile 3,4 Millionen Mitglieder*innen. Im gesamten DACH-Raum sind es etwa 18 Millionen. Die Power von LinkedIn werde in der Schweiz aber nach wie vor unterschätzt, betont Kuyas. Für Stellensuchende und Wechselwillige bietet die Plattform aus Kuyas Sicht direkten Zugang zum offenen und verdeckten Arbeitsmarkt. Wie hilfreich ein starkes Netzwerk sein kann, zeige sich insbesondere in Krisenzeiten, wie etwa bei einem Stellenverlust.


INTERVIEW

«Es herrschen grosse Wissenslücken, die kann ich schliessen»

Am Mittwoch wurde Selma Kuyas zum zweiten Mal in Folge zur «LinkedIn Top Voice» gekürt, weil sie auf wichtige Themen aufmerksam macht, wie zum Beispiel die Diskriminierung im Bewerbungsprozess. Werbewoche.ch hat sich mit der Job-Expertin über Wissenslücken, den perfekten Lebenslauf und die Stellensucher der Zukunft unterhalten.

Werbewoche.ch: Selma Kuyas, wie sind Sie Job Coach geworden?

Selma Kuyas: Ich war zehn Jahre in der Telekommunikationsbranche tätig, bevor ich 2015 den Quereinstieg als Job Coach Integration wagte. Als Job Coach lautete der Auftrag, Jugendliche und junge Erwachsene mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Schnell bemerkte ich, dass der Bedarf auch für Fach- und Führungskräfte gross ist, was das Thema Bewerbung und Selbstmarketing angeht.

 

Weshalb ist das so?

Es herrscht bis heute eine grosse Wissenslücke, wie Kandidat*innen Unternehmen von ihren Vorzügen und der Eignung für den Job, überzeugen können. Hier biete ich erprobte Hilfestellung mit dem Ziel, die eigene Karriere selbstbestimmt zu gestalten. Ich veranstalte regelmässig kostenfreie Events für Stellensuchende aus dem deutschsprachigen Raum.

 

Gibt es Tricks oder Geheimnisse, die zum Erfolg führen?

Es gibt keine Tricks beim Bewerben. Wichtig ist, dass man den eigenen Mehrwert als Fach- oder Führungskraft nach aussen überzeugend kommuniziert. Eine Bewerbung ist für mich erst dann perfekt, wenn sie authentisch ist und dem Leser aufzeigt, was er mit mir als neue Mitarbeitende gewinnt.

 

Wie wichtig sind Bilder im Lebenslauf?

Ein professionelles Foto im Lebenslauf ist zwar keine Pflicht, aber dennoch empfehle ich es. Ein Bild ist Teil des Gesamteindrucks der Bewerbung. Die Chancen stehen hoch, dass eine Bewerbung ohne Foto ignoriert wird. Solange das sich nicht ändert, würde ich immer ein Foto auf dem Lebenslauf platzieren.

 

Was genau bieten Sie bei Ihren Coachings an?

Die meisten Menschen – vor allem Frauen – haben Mühe, eine überzeugende Bewerbung zusammenzustellen. Es fehlt fachliches Know-how, wie ich mich als Bewerber*in bei Unternehmen präsentiere. Wer schreibt denn schon gern über sich selbst? Die Bewerbung ist Eintrittspunkt und entscheidet über die berufliche Zukunft. Eine so wichtige Entscheidung dem Faktor Glück oder Hoffnung, dass es dann schon klappt, zu überlassen, finde ich als Bewerbungscoach fatal. Niemand lehrt uns, wie wir uns gut bewerben oder auf welche Jobprofile wir uns bewerben sollen, die wirklich zu uns passen. Mit einem geschulten, erfahrenen Coach nimmt man die Abkürzung und kann schlussendlich die eigene Karriere selbstbestimmt planen.

 

Warum ist LinkedIn ein guter Kanal für die Jobsuche?

Die Digitalisierung macht vor nichts und niemandem Halt – auch nicht vor dem Workflow zur Vergabe von offenen Rollen oder Stellen. Wenn du lernst, wie du LinkedIn gezielt für deine Jobsuche einsetzen kannst, sparst du wertvolle Lebenszeit auf der Suche nach einer neuen Stelle. Wenn ich einen Blick in meine Glaskugel wage, sehe ich, dass LinkedIn für die Arbeitswelt ungeahnte Dimensionen annehmen wird. Bereits heute ist es möglich, sich mit einer One-Klick-Bewerbung bei Unternehmen zu bewerben. Der klassische Lebenslauf wird zum Auslaufmodell und digitale Profile der neue Standard.

 

Was versteht man unter einem «verdeckten Arbeitsmarkt»?

Die Studienergebnisse des Institutes für Arbeitsmarktforschung in Deutschland zeigen, dass nur 35 Prozent der offenen Stellen auch ausgeschrieben werden. Von den anderen 65 Prozent der freien Jobs bekommt man also nichts mit. Sie werden über Kontakte, on- und offline Netzwerke, persönliche Kontakte und Empfehlungen vermittelt. Immer öfter kommt es auch vor, dass sich die Firmen selbst per Active Sourcing auf die Suche nach neuen Talenten machen. Das Potenzial, digital gefunden zu werden ist riesig. Vor allem Berufsnetzwerke wie LinkedIn können dabei helfen. Mehr als drei Viertel der Personalvermittler nutzen das Netzwerk regelmässig, um aktiv auf Kandidatensuche zu gehen.

 

Ein perfekter Lebenslauf ist nur der erste Schritt. Beim Vorstellungsgespräch müssen die Kandidat*innen sich persönlich präsentieren. Wie helfen Sie da?

Mit meiner Coachingmethode ist das Vorstellungsgespräch ein Spaziergang. Denn die Hauptarbeit findet vorher statt. Die intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken, Talenten, Erfolgen, beruflichen Geschichte und der eigenen Persönlichkeit sind Basis, um im Vorstellungsgespräch zu überzeugen. Selbstverständlich soll ein Jobinterview intensiv vorbereitet werden. Auch hier unterstütze ich mit meiner Erfahrung als Bewerbungscoach meine Klienten.

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