Albert Rösti über Gigabit-Strategie und KI-Regulierung am Suissedigital Day

An der diesjährigen Tagung des Verbands für Kommunikationsnetze Suissedigital ist erstmals ein Bundesrat aufgetreten. UVEK-Vorsteher Albert Rösti sprach am Suissedigital Day 2024 über ein Förderprogramm zur Umsetzung der Gigabit-Strategie und über Zurückhaltung bei der Regulierung von KI.

(Bilder: Netzmedien)

In Bern hat Suissedigital, der Verband für Kommunikationsnetze, zum jährlichen Suissedigital Day geladen. Der Event im Kursaal Bern begann mit einem Blick zurück – anlässlich des 10-Jahr-Jubiläums von Simon Osterwalder als Geschäftsführer von Suissedigital. Dieser übernahm im März 2014 die Leitung des Verbands – damals hiess der Verband noch Swisscable.

In seiner Revue vergangener Highlights kam er schnell auf den Suissedigital Day zu sprechen und bezeichnete den Anlass als «die vielleicht grösste Errungenschaft» des Verbands. «Wir sind keine Familie; wir sind kein Club von Freunden», sagte er den Gästen, von denen wohl einige in direkter Konkurrenz mit anderen Verbandsmitgliedern stehen. Aber mit dem Suissedigital Day habe man eine Plattform geschaffen für den Austausch, an der man konstruktiv und zielorientiert zusammenarbeiten könne. Es gehe um langfristige Politik und darum, den Fuss in die Türe zu bringen.

Suissedigital-Geschäftsführer Simon Osterwalder (l.) zusammen mit Moderatorin Susanne Hueber.

In diesem Jahr liege der Fokus erstmals auf KMU. Als ein Verband mit vielen KMU unter den Mitgliedern sei es Zeit gewesen, den Fokus zu schärfen und sich zu fragen, was KMU in einer digitalisierten, erschlossenen Welt machen können. «Was mache ich, wenn ich bereits Fiber to the Home (FTTH) verkauft habe?» Seine Frage beantwortete Osterwalder sogleich selbst: Dienstleistungen.

Hier sehe er viel Potenzial für KMU. Als mögliche Services zählte er etwa lokale Rechenzentrumsdienstleistungen oder Cybersecurity-Services auf. «Unsere Branche hat die Kapazitäten im IT-Markt noch nicht ausgeschöpft», sagte er den Verbandsmitgliedern. Hier bestünden zudem viele Möglichkeiten, Partnerschaften einzugehen. Denn nur die wenigsten Verbandsmitglieder könnten alles selbst erledigen.

Erster Bundesrat am Suissedigital Day

Passend zum Jubiläum des Geschäftsführers hatte der Suissedigital Day dieses Jahr einen besonderen Ehrengast. Erstmals sprach ein Bundesrat an der Tagung der Kabelnetzbetreiber. Albert Rösti, Vorsteher des Eidgenössischen Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, sprach im Kursaal über die Gigabitstrategie des Bundes und mögliche Regulierungen der künstlichen Intelligenz (KI).

«Es gibt kein anderes Land, das eine solche Grundversorgung kennt», sagte Rösti. «Auch dank Ihnen liegen wir über dem EU-Durchschnitt bei der Leistung der Netze. Dieses Ergebnis wird sich nochmals deutlich verbessern, da nun auch die Kabel-TV-Netze Internetgeschwindigkeiten von 2,5 Gigabit pro Sekunde anbieten.»

«Beim Glasfaserausbau wollen wir uns aber noch verbessern», sagte der Bundesrat. Aktuell betrage die Abdeckung mit Glasfaser bis ins Haus in der Schweiz rund 60 Prozent. Bis Ende des nächsten Jahres sollen rund zwei Drittel der Wohnungen und Geschäfte an ein Glasfasernetz angeschlossen werden.

«Es ist allerdings absehbar, dass nicht in der ganzen Schweiz moderne Glasfasernetze gebaut werden, weil es einfach nicht überall rentabel sein wird», sagte Rösti. Da mittelfristig die Kupfernetze abgestellt werden, besteht laut dem Bundesrat die Gefahr, dass nicht mehr alle Gebäude mit zuverlässigen Telekommunikationsleitungen erschlossen sein werden. «Das gilt es zu vermeiden.»

Förderprogramm für Gigabit-Strategie

Im Dezember 2023 erhielt das UVEK daher den Auftrag, eine Gigabit-Strategie auszuarbeiten, um diese drohende Versorgungslücke zu schliessen. Das Ziel: eine möglichst flächendeckende Versorgung aller Haushalte und Geschäfte mit Bandbreiten von mindestens 1 Gigabit pro Sekunde. Dies soll einen digitalen Stadt-Land-Graben verhindern. «Ich denke hier vor allem an die hintersten und entlegensten Gebiete unseres Landes.»

Bundesrat Albert Rösti am Suissedigital Day 2024.

«Die Erschliessung wird allerdings einiges kosten», sagte Rösti den Kabelnetzbetreibern. «Wir sprechen hier von mehr als einer halben Milliarde Franken gemäss unseren Schätzungen.» Der Bund habe deshalb vor, den Ausbau finanziell zu unterstützen. «Natürlich wollen wir, und das ist mir ganz wichtig, den Markt hier nicht ersetzen», sagte der Bundesrat. «Wir wollen aber die Lücke dort schliessen, wo dieser Ausbau eben nicht vom Markt getätigt wird.» Erachte eine Gemeinde oder eine Region die Unterstützung als nicht notwendig, werde der Bund auch nicht aktiv. Das Förderprogramm ist auf sieben Jahre befristet.

Einen Teil der Kosten für den Glasfaserausbau sollen die Kantone mittragen. Dennoch werde es nicht einfach sein, das Förderprogramm auf die Beine zu stellen. Aktuell implementiere der Bund zahlreiche Sparmassnahmen, um das Budget um 3,5 Milliarden ab 2027 und 4,5 Milliarden Franken ab 2029 zu reduzieren.

Überregulierung von KI vermeiden

Das Thema KI liegt derzeit ebenfalls beim UVEK. Zusammen mit dem Departement des Äussern und dem Justizdepartement soll das UVEK dem Bundesrat eine Auslegeordnung zur KI unterbreiten. Und «darauf basierend auch Überlegungen, wie weit künstliche Intelligenz in unserem Land reguliert werden soll», erklärte Rösti.

«Es wäre falsch, hier in einen Aktivismus zu treten und bereits zu früh mit Regulation die wirtschaftlichen Tätigkeiten und Fortschritte abzubremsen», sagte der Bundesrat. «Wir sind eines der innovativsten Länder der Welt. Das sind wir auch in diesem Bereich und wollen es bleiben.» Sehr viel könne bereits basierend auf bestehenden Gesetzen geregelt werden.

In einer anschliessenden Fragerunde zog Rösti einen Vergleich zur Lebensmittelindustrie. Der Bund verbiete ja auch nicht, Lebensmittel zu verkaufen, erklärte er. «Aber er schreibt vor, dass auf der Verpackung stehen muss, was drin ist. Damit man weiss, was man kauft.» Das brauche es auch bei KI-Produkten.

Gaming gegen den Fachkräftemangel

Ein weiteres Thema, das am Suissedigital Day 2024 angesprochen wurde, war der Fachkräftemangel. Darüber sprachen Joachim Reuter, Gast-Dozent Sportmarketing, Gaming & E-Sports an der FHNW sowie ehemaliger Head of E-Sports / Marketing beim FC Basel, und Fabian Wicki, Eigentümer von Gestalt Kommunikation und ebenfalls Dozent an der FHNW. In ihrer gemeinsamen Präsentation zeigten sie auf, wie Unternehmen Gaming als Vehikel für die Gewinnung von Lernenden nutzen können.

Zunächst zeigte Reuter auf, wie gross der Markt mit Gaming und verwandten Produkten ist: 187 Milliarden US-Dollar. Zudem sei es ein Wachstumsmarkt. «Das sind Zahlen, die man nicht ignorieren kann», sagte er.

Joachim Reuter, Gast-Dozent Sportmarketing, Gaming & E-Sports an der FHNW und ehemaliger Head of E-Sports / Marketing beim FC Basel.

Später kam er auch auf die Höhe der Preisgelder im E-Sports-Bereich zu sprechen. «Was Preisgelder betrifft, muss sich E-Sports kaum hinter Wimbledon und schon gar nicht hinter der Tour de France verstecken.» Der Rekord war das Dota-2-Turnier The International 2021. Insgesamt wurden an diesem Anlass über 40 Millionen Dollar vergeben. Bei Wimbledon betrug das Preisgeld 2024 insgesamt 63 Millionen Dollar und an der Tour de France 2,7 Millionen.

In der Schweiz würden rund 60 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr gamen. «Gaming wird natürlich sehr stark mit der jungen Zielgruppe assoziiert, aber der durchschnittliche Gamer ist fast 40 Jahre alt», erklärte Reuter. Und der Frauenanteil liege bei mindestens einem Drittel, in gewissen Subbereichen des Gamings sei der Anteil sogar deutlich höher.

«Marken erkennen immer mehr, dass Gaming eine attraktive Plattform ist, um sich zu präsentieren.» Als Beispiele nannte Reuter unter anderem den Versicherungsanbieter Baloise, der eine Filiale im Videospiel GTA 5 eröffnet hat, oder Burger King; die Fast-Food-Kette sponserte den damals fast komplett unbekannten englischen Fussballverein Stevenage FC, damit das Burger-King-Logo im Videospiel Fifa erscheint.

Employer-Branding in der digitalen Welt

Wicki griff das Thema Employer Branding auf. Gaming brauche eine stabile und schnelle Internetverbindung. Für Kabelnetzbetreibende ist es daher naheliegend, in diesem Bereich aktiv zu werden.

Im August dieses Jahres seien fast 9000 Lehrstellen unbesetzt gewesen. Zudem würde ein Viertel aller Lehrverträge in der Schweiz mit einer vorzeitigen Auflösung enden. Das sei alles «Wasser auf den Mühlen des Fachkräftemangels». Um dem entgegenzuwirken, präsentierte er sein Konzept einer Swiss Digital League – einer gemeinsamen Fifa-E-Sports-Liga des Branchenverbands Suissedigital.

Fabian Wicki, Eigentümer von Gestalt Kommunikation und FHNW-Dozent.

Die Lernenden werden durch ihre Lehrbetriebe zur Teilnahme eingeladen. So machen die Unternehmen die Lernenden zu Markenbotschaftern. Die Liga soll auch ein physisches Turnier erhalten mit einer Siegerehrung. Und wie hilft das bei der Gewinnung neuer Mitarbeitenden? Durch das «Bring a Friend»-Konzept sollen potenzielle neue Lernende angesprochen werden, erklärte Wicki. Jede:r Lernende:r könne jemanden aus dem eigenen Netzwerk mitbringen und dieser Person so die Welt der Kabelnetzbetreibenden näherbringen.

Im Gespräch präzisierte Wicki anschliessend, in welchem Stadium sich diese Idee aktuell befindet. Es sei ein Konzept, das sich bereits in den Startlöchern befinde, um realisiert zu werden, erklärte er. Die Vorarbeit ist bereits erledigt, so war die Liga etwa bereits mit einem Stand am Suissedigital Day vertreten. Nun müsse das Konzept nur noch umgesetzt werden.

Keine Angst vor KI

Teil des Suissedigital Day 2024 war auch ein Vortrag des Philosophen Ludwig Hasler. Dieser sprach über die Rolle des Menschen in einer KI-Welt. «Wissen ist ein Kind von gestern», sagte er. Fachkompetenzen seien bei den Maschinen sehr gut aufgehoben. Die Menschen sollten sich daher darauf konzentrieren, die Welt neu zu sehen und so auf Ideen zu kommen, was schöner, lustiger und bequemer sein könnte. «Wir sollten uns aufraffen, diese Entwicklung möglichst zu führen und nicht nur zuschauen», sagte er.

Philosoph Ludwig Hasler am Suissedigital Day 2024.

Ferner gab es an der diesjährigen Tagung auch noch Präsentationen zum Thema Cybersicherheit. So sprach unter anderem etwa Bettina Zimmermann, CEO von GU Sicherheit & Partner, über Krisenmanagement bei Cybervorfällen. Über dieses Thema hatte sie bereits – gemeinsam mit dem Neuropsychologen Wolfgang Maier – am diesjährigen Gohack24 Symposium referiert. (Coen Kaat/jor/swi)


Dieser Artikel erschien zuerst in der Netzwoche.

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