Zwischen Protest und Chance

Kommen schon bald weitere Gratiszeitungen an die Kioske?

Kommen schon bald weitere Gratiszeitungen an die Kioske?Von Markus KnöpfliDass die Kiosk AG nun versuchsweise Pendlerzeitungen vertreiben will, brachte einige grosse Verlage in Rage. Auch Retourkutschen werden erwogen. Gleichzeitig wittern einige Verleger auch Chancen für ihre Gratistitel.
Als «Schuss vor den Bug» bezeichnet Daniel Sommer, Verlagsleiter der Basler Zeitung, den Versuch der Kiosk AG, ab dieser Woche auch Pendlerzeitungen an ihren Verkaufsstellen abzusetzen. Franziska von Weissenfluh, Geschäftsführerin der Berner Zeitung, findet das Vorgehen «nicht sehr schön gegenüber einem langjährigen Partner», und auch Dietrich Berg, Verlagsleiter Tages-Anzeiger, versteht «unter partnerschaftlicher Beziehung etwas anderes». «Wenn wir das gut finden würden, wäre das Masochismus, denn wir sind der Verlag mit den meisten Titeln am Kiosk», sagt der Ringier-Konzernsprecher Fridolin Luchsinger. Und Willy Schib, Leiter Regionalzeitungen bei der NZZ, stimmt ein: «Obwohl es uns nicht allzu sehr betrifft, sind wir nicht sehr erfreut.»
Am meisten verärgert ist man bei den Verlagen über die späte oder mangelnde Information der Kiosk AG. Da und dort ist allerdings auch grundsätzlichere Kritik an der Kiosk AG zu hören. Wenn die Kiosk AG ihre Produkte gratis abgebe, brauche es sie ja gar nicht mehr (Luchsinger). Zeitungen seien der Kiosk AG offenbar zweitrangig, im Gegensatz etwa zu Kaugummis und Souvenirartikeln (Schib).
Einige Verlage erwägen denn auch Alternativen zur Kiosk AG. Doch solche Äusserungen sind kaum mehr als Winke mit dem Zaunpfahl, zumal sich der Presseverkauf über Poststellen vor einigen Jahren als wenig erfolgreich erwiesen hatte. «Ich bin eher skeptisch», sagt deshalb Schib.
Die Kiosk AG hat
Begehrlichkeiten geweckt
Ebenfalls bei der Kiosk AG vorstellig wurde Eva Keller, stellvertretende Geschäftsführerin Verband Schweizer Presse (CHP). Das Thema werde auch noch im CHP-Präsidium behandelt, kündigt Keller an. «Wir waren aber mehr über das Vorgehen als über den Versuch erstaunt», sagt sie und erinnert an die freie Marktwirtschaft. Zudem vermutet sie, dass auch weitere Verleger Gefallen daran finden könnten, ihre Gratistitel an den Kiosk zu bringen.
Und genau dies tun sie auch. «Wir werden dies demnächst intern diskutieren, denn wir wollen für den ZürichExpress gleich lange Spiesse», sagt etwa Willy Schib. Ähnliches hat man gemäss Daniel Sommer auch beim Baslerstab vor. Dieser ist zwar schon am Kiosk erhältlich, kostet dort jedoch 60 Rappen. Nun will die BMG wissen, was die Gratisabgabe kosten würde.
Hellhörig wurde man auch beim Verband Schweizerischer Gratiszeitungen (VSGZ): Präsident Willy Grüninger, Verleger von Schaffhauser Bock und Winterthurer Woche, will deshalb mit der Kiosk AG sprechen. Auch andere VSGZ-Mitglieder seien interessiert, weiss Grüninger.
«Sehr offen» sei man seitens der Kiosk AG für solche Kooperationen, sagt deren Direktor Josef Jungo. Die Vorwürfe an seine Firma hingegen findet er etwas einseitig. Die Kiosk AG habe unter anderem 25 Millionen Franken in ein System investiert, mit dem primär der Presseverkauf tagesaktuell festgestellt werden könne. «In keine andere Warengruppe investieren wir so viel wie in die Presse.»
Zudem würden die Verlage die Abos ihrer Titel gegenüber dem Einzelverkauf bis zu 70 Prozent günstiger anpreisen, «was uns das Leben im Einzelverkauf extrem schwierig gestaltet». Schliesslich seien manche Verlage im Druck- oder Internetbereich Partnerschaften mit den Pendlerzeitungen eingegangen. «Sollten wir da tatsächlich nur zuschauen wie das Kaninchen vor der Schlange?», fragt Jungo.

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