Wo Zwerge sich erheben

Die Weko untersucht, ob die Post ihre eigenen Richtlinien missachtet

Die Weko untersucht, ob die Post ihre eigenen Richtlinien missachtetVon Markus Knöpfli Weil die Post im Oberbaselbiet eine Zeitung auch an alle Stoppkleber-Briefkasten verteilt, hat ein Verleger die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) angerufen. Falls sich die Weko zum Fall äussert, dürfte dies auch für andere Zeitungen und Vertriebsfirmen Folgen haben.
Normalerweise erscheint die Basellandschaftliche Zeitung (bz) mit einer Auflage von 26130 Exemplaren. Ausser mittwochs, dann erscheint die bz mit einer Grossauflage (GA) von 73294 Exemplaren. Die GA ist für die bz ein wichtiges wirtschaftliches Standbein, bringt sie ihr doch allein rund 50 Prozent der Einnahmen. Verleger Mathis Lüdin lässt die bz-GA seit Jahren per Post flächendeckend allen Oberbaselbieter Haushalten gratis zukommen, auch jenen mit Stoppklebern am Briefkasten.
Doch nun hat Robert H. Gloor, einer von Lüdins Konkurrenten und Herausgeber des Gratis-Monatsmagazins Regio aktuell (141000 Exemplare), die Weko angerufen, die jetzt eine Vorabklärung gegen die Post prüft.
Gloors Anwalt hatte argumentiert, die Post als marktbeherrschendes Unternehmen diskriminiere Regio aktuell, indem sie der bz die Bruttozustellung gewähre, ein Service, den die Post sonst nur amtlichen Publikationsorganen und Abstimmungswerbung gewährt.
Gloor, dessen Blatt von der Post nur netto verteilt wird, hatte schon Ende letzten Jahres von der Post das Einstellen der bz-Bruttoverteilung verlangt. Die Post versprach, dies zunächst per 1. Juni diesen Jahres zu tun, teilte dann aber am 28. Juni mit, dass «wir die Basellandschaftliche Zeitung auf Grund eines Schreibens des Regierungsrates vom 21. Dezember 1999 als amtliches Publikationsorgan betrachten und daher die Bruttozustellung gewähren».
bz ist doch kein amtliches Publikationsorgan
Was war geschehen? Als die Post Lüdin mitteilte, dass sie die Bruttozustellung einstellen würde, wandte sich dieser an den Baselbieter Regierungsrat. Und der stellte ihm ein Gefälligkeitsschreiben aus.
Landschreiber Walter Mundschin will der WerbeWoche zwar das Schreiben nicht faxen, fasst es aber wie folgt zusammen: «Der Regierungsrat bestätigt darin, dass die bz unter anderem Baubewilligungen und andere amtliche Mitteilungen veröffentlicht. Nirgends steht aber, dass sie ein amtliches Publikationsorgan ist.» Als kantonales Publikationsorgan existiere ohnehin nur das Amtsblatt, und die bz-Veröffentlichungen erfolgten freiwillig, unbezahlt und unvollständig.
Weshalb aber betrachtet die Post die bz dennoch als amtliches Publikationsorgan? «Das weiss ich nicht, ich kenne die Bestimmungen der Post nicht», sagt Mundschin.
Auch Post-Pressesprecher Hubert Staffelbach konnte diese Frage bis Redaktionsschluss nicht beantworten. Licht ins Dunkel bringt aber vielleicht ein Brief, den Post-Konzernleiter Ulrich Gygi am 25. Oktober an Regio aktuell geschrieben hat. Darin stützt er sich auf den regierungsrätlichen Brief, in dem es gemäss Gygi heisst, dass die bz «als Organ für Verlautbarungen nach innen und nach aussen diene». Die bz – ein regierungsrätliches PR-Blatt?
Wie dem auch sei, für Eric Send von der Stiftung für Konsumentenschutz steht auch in diesem Fall fest: «Eine Zeitung ist klar ein kommerzielles Produkt, deshalb ist der Stoppkleber zu berücksichtigen. Wenn dies die Post nicht tut, ist dies inakzeptabel».
Doch bz und Post stehen nicht allein. Noch bis Anfang 2000 liess auch die Oltener Dietschi AG ihre Oberbaselbieter Zeitung (OZ) brutto verteilen, von der Post-Tochter Direct Mail Company. Zudem bezeichnete sich die OZ als «Offizielles Publikationsorgan in den Bezirken Waldenburg, Liestal und Sissach».
Dies ist sie aber nur für einige wenige Gemeinden. Als Regio aktuell eine Strafanzeige einreichte, strich man bei der OZ flugs das Wort «offizielles» und verzichtete auf die Bruttoverteilung. Daraufhin wurde die Anzeige zurückgezogen.
Mit Weko-Vorstoss hofft die VSGZ auf gleich lange Spiesse
Auch andere Verleger missachten die Stoppkleber an den Briefkästen. «Fast alle Gratiszeitungen machen über eigene Vertriebsorganisationen Bruttoverteilung, wir auch», gibt Willy Grüninger freimütig zu. Grüninger ist Präsident des Verbandes Schweizerischer Gratiszeitungen (VSGZ) und Verleger von Schaffhauser Bock und Winterthurer Woche.
Längere Zeit habe er sich an die Stoppkleber gehalten, doch hätten immer wieder Leute mit Kleber am Briefkasten – in Winterthur sind dies gegen 50 Prozent – reklamiert, weil sie die Zeitung nicht erhielten. Deshalb habe er die Bruttoverteilung eingeführt. In Winterthur hätten bisher weniger als 300, in Schaffhausen um die 150 Personen reklamiert.
Auch wenn sich Leser hin und wieder um ihre Zeitung bemühen müssen, begrüsst der VSGZ-Präsident den Vorstoss. «Die Post hat keine klare Linie. Zwar hat sie Vorschriften, hält sich aber je nach Kunde nicht daran.» Dass ein allfälliger Weko-Entscheid auch ihn und den VSGZ tangieren könnte, ist Grüninger klar. «Hauptsache ist aber, dass nachher alle gleich lange Spiesse haben», sagt er.

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