«Werbung ist ein störendes Nebengeräusch»
Pascal Magnenat über seine Beobachtungen von Schweizer Websites aus der Sicht des Benutzers
Pascal Magnenat über seine Beobachtungen von Schweizer Websites aus der Sicht des BenutzersDer Genfer Ergonom Pascal Magnenat empfiehlt Schweizer Websitebetreibern, sich wieder mehr auf die Wirkung des geschriebenen Textes zu besinnen.Was muss man sich unter einem Ergonomen vorstellen?
Pascal Magnenat: Ich betrachte sozusagen vom Standpunkt des Endverbrauchers aus die Benutzerfreundlichkeit von interaktiven Systemen wie Bancomaten, Billettautomaten und Websites und berate die entsprechenden Unternehmen, unterbreite Verbesserungsvorschläge oder ganze Installationspakete.
Wie wird man Ergonom?
Magnenat: Es gibt bis jetzt keinen klassischen Ausbildungsweg. Es sind Quereinsteiger, die sich einerseits stark für die Technik interessieren und andererseits für psychologische Aspekte. In den USA gibt es dazu einen Spezialkurs für Psychologen. An der Uni Genf wird den Psychologiestudenten ebenfalls eine Anzahl Stunden Ergonomie angeboten. Ich arbeite seit sechs Jahren in diesem Bereich. Zu Beginn habe ich mich bei einer Privatbank um die interaktiven Systeme gekümmert. Ich habe dann Seminare für Ergonomie in den USA besucht, weil mich die Aspekte der Benutzerfreundlichkeit zu faszinieren begannen. Seit September 1999 arbeite ich selbstständig.
In der von Ihnen ausgearbeiteten Studie über die Benutzerfreundlichkeit verschiedener Websites von Schweizer Unternehmen haben Sie festgestellt, dass 62 Prozent der Benutzer nicht in der Lage waren, ein Billett bei den SBB zu bestellen. Was raten Sie diesen Leuten?
Magnenat: Ja nicht auf diese Website zurückzukehren. Ich möchte betonen, dass sämtliche an dieser Studie beteiligten Personen mit Internet und E-Mail vertraut waren. Aber es war ja nicht nur die Website der SBB, die den Benutzern Kopfzerbrechen bereitete. Der Easyshop von Nestlé ist inzwischen sogar geschlossen worden. Offenbar rentierte die Sache nicht, weil das System zu wenig benutzerfreundlich war.
Wer hat diese Studie in Auftrag gegeben?
Magnenat: Niemand. Es war rein persönliches Interesse. Als ich mich selbstständig machte, wollte ich mit konkreten Zahlen künftigen Kunden gegenübertreten.
Was hat Sie persönlich überrascht an den Resultaten dieser Studie?
Magnenat: Ähnliche Studien in den USA zeigten in etwa die gleichen Werte, was die Benutzerfreundlichkeit von Websites angeht. Überrascht war ich allerdings, dass es gerade so grosse und bekannte Unternehmen wie Nestlé und die SBB waren, die bei den Tests am schlechtesten abschnitten.
E-Commerce entwickelt sich bei weitem nicht so, wie es euphorische Prognosen in Aussicht gestellt hatten. Erstaunt Sie das?
Magnenat: Eigentlich nicht. Dabei sind es nicht nur die schlecht gestalteten Websites, sondern die technischen Schwierigkeiten, die Normalbürger überwinden müssen, um ins Internet zu gelangen. Der Konsument muss sich zuerst auch noch daran gewöhnen, Produkte zu bestellen, die er vorher nicht sehen und berühren kann.
Welche Zukunft hat Ihrer Ansicht nach der E-Commerce?
Magnenat: Ich glaube an die Zukunft des E-Commerce, unter der Voraussetzung, dass die Systeme benutzerfreundlicher werden und die Zutrittsmöglichkeiten zum Internet nicht nur via PC erfolgen, sondern auch über TV oder Touchscreens.
Welche Produkte haben langfristig eine Chance, via Internet verkauft zu werden?
Magnenat: Es ist eigentlich gar nicht so sehr eine Frage des Produkts. Der Konsument wird immer dann via Internet einkaufen, wenn er das Gefühl hat, damit Zeit zu sparen. In England gibt es eine Ladenkette, welche die Einkäufe der Internauten analysiert und entsprechend personalisierte Einkaufsangebote unterbreitet.
Ihre Studie bemängelt auch die relativ komplizierte Terminologie auf den Websites. Gibt es einen Trend zur Standardisierung?
Magnenat: Das Problem besteht wohl im Moment darin zu definieren, was das Internet überhaupt ist. Ist es ein Medium zur Übermittlung von Informationen, wie dies die klassischen Medien tun, oder ist es ein Instrument, mit dem man interaktiv werden kann? Heute wird der Unterschied zwischen diesen beiden Richtungen noch nicht überall nachvollzogen. Deshalb trifft man auf den meisten Websites ein grosses Durcheinander von Informationen und interaktiven Möglichkeiten an. Jeder Anbieter versucht, sich durch eine möglichst originelle und aufwändige Homepage von der Konkurrenz abzuheben – aber fast immer auf Kosten der Benutzerfreundlichkeit. Eine in den USA veröffentlichte Studie zeigt, dass das E-Branding schliesslich nicht nur aufgrund einer originellen und möglichst attraktiven Homepage basiert, sondern ebenso auf einem einfachen Zugriff zu den Informationen. Die dritte Generation der Hompages wird dort eben neu überdacht und konzipiert.
Welche Unterschiede sehen Sie generell zwischen den USA und der Schweiz?
Magnenat: Zumindest die grossen amerikanischen Unternehmen investieren enorm in die Benutzerfreundlichkeit der Websites. Dabei wird immer mehr auf grafische Elemente verzichtet, man besinnt sich wieder auf die Wirkung des Geschriebenen. Texte ersetzen allmählich Bilder und Grafiken.
Dann sind die Websites der Schweizer Unternehmen also überladen?
Magnenat: Die meisten Websites, die wir hier sehen, wurden von Grafikern konzipiert. Sie sind sehr ästhetisch und kreativ, aber in den meisten Fällen nicht sehr benutzerfreundlich. Vielfach wird bei der Kreation einer Website auch vergessen, dass sie je nach Bildschirmgrösse des Benutzers anders wirkt und der Zugang zu den Informationen schlicht nicht möglich ist.
Was halten Sie von der Werbung auf den Schweizer Websites?
Magnenat: Von der Benutzerseite her gesehen wird die Werbung auf den Sites allgemein als störend empfunden. Wenn schon Werbung, dann sollte sie immer im direkten Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen und dem Benutzer eine sinnvolle Zusatzinformation geben. In den USA hat ein Test gezeigt, dass Werbung, die zu dominant war, blinkte oder sich bewegte, von den Benutzern mit der Hand abgedeckt wurde, weil sie derart störte.
Dann lohnt es sich also nicht, im Internet Werbung zu schalten?
Magnenat: Doch. Nur muss man bei der Werbung im Internet andere Überlegungen anstellen als bei der Werbung für klassische Medien. Sie muss in jedem Fall benutzerfreundlich sein. Wenn ich zum Beispiel bei Ticketcorner ein Billett für ein Konzert in Basel bestellen will, kann es nützlich sein, wenn ich via SBB-Werbung darauf angesprochen werde, dass ich gleichzeitig die Fahrkarte dazu kaufen kann. Interview: Anita Vaucher
Pascal Magnenat: Ich betrachte sozusagen vom Standpunkt des Endverbrauchers aus die Benutzerfreundlichkeit von interaktiven Systemen wie Bancomaten, Billettautomaten und Websites und berate die entsprechenden Unternehmen, unterbreite Verbesserungsvorschläge oder ganze Installationspakete.
Wie wird man Ergonom?
Magnenat: Es gibt bis jetzt keinen klassischen Ausbildungsweg. Es sind Quereinsteiger, die sich einerseits stark für die Technik interessieren und andererseits für psychologische Aspekte. In den USA gibt es dazu einen Spezialkurs für Psychologen. An der Uni Genf wird den Psychologiestudenten ebenfalls eine Anzahl Stunden Ergonomie angeboten. Ich arbeite seit sechs Jahren in diesem Bereich. Zu Beginn habe ich mich bei einer Privatbank um die interaktiven Systeme gekümmert. Ich habe dann Seminare für Ergonomie in den USA besucht, weil mich die Aspekte der Benutzerfreundlichkeit zu faszinieren begannen. Seit September 1999 arbeite ich selbstständig.
In der von Ihnen ausgearbeiteten Studie über die Benutzerfreundlichkeit verschiedener Websites von Schweizer Unternehmen haben Sie festgestellt, dass 62 Prozent der Benutzer nicht in der Lage waren, ein Billett bei den SBB zu bestellen. Was raten Sie diesen Leuten?
Magnenat: Ja nicht auf diese Website zurückzukehren. Ich möchte betonen, dass sämtliche an dieser Studie beteiligten Personen mit Internet und E-Mail vertraut waren. Aber es war ja nicht nur die Website der SBB, die den Benutzern Kopfzerbrechen bereitete. Der Easyshop von Nestlé ist inzwischen sogar geschlossen worden. Offenbar rentierte die Sache nicht, weil das System zu wenig benutzerfreundlich war.
Wer hat diese Studie in Auftrag gegeben?
Magnenat: Niemand. Es war rein persönliches Interesse. Als ich mich selbstständig machte, wollte ich mit konkreten Zahlen künftigen Kunden gegenübertreten.
Was hat Sie persönlich überrascht an den Resultaten dieser Studie?
Magnenat: Ähnliche Studien in den USA zeigten in etwa die gleichen Werte, was die Benutzerfreundlichkeit von Websites angeht. Überrascht war ich allerdings, dass es gerade so grosse und bekannte Unternehmen wie Nestlé und die SBB waren, die bei den Tests am schlechtesten abschnitten.
E-Commerce entwickelt sich bei weitem nicht so, wie es euphorische Prognosen in Aussicht gestellt hatten. Erstaunt Sie das?
Magnenat: Eigentlich nicht. Dabei sind es nicht nur die schlecht gestalteten Websites, sondern die technischen Schwierigkeiten, die Normalbürger überwinden müssen, um ins Internet zu gelangen. Der Konsument muss sich zuerst auch noch daran gewöhnen, Produkte zu bestellen, die er vorher nicht sehen und berühren kann.
Welche Zukunft hat Ihrer Ansicht nach der E-Commerce?
Magnenat: Ich glaube an die Zukunft des E-Commerce, unter der Voraussetzung, dass die Systeme benutzerfreundlicher werden und die Zutrittsmöglichkeiten zum Internet nicht nur via PC erfolgen, sondern auch über TV oder Touchscreens.
Welche Produkte haben langfristig eine Chance, via Internet verkauft zu werden?
Magnenat: Es ist eigentlich gar nicht so sehr eine Frage des Produkts. Der Konsument wird immer dann via Internet einkaufen, wenn er das Gefühl hat, damit Zeit zu sparen. In England gibt es eine Ladenkette, welche die Einkäufe der Internauten analysiert und entsprechend personalisierte Einkaufsangebote unterbreitet.
Ihre Studie bemängelt auch die relativ komplizierte Terminologie auf den Websites. Gibt es einen Trend zur Standardisierung?
Magnenat: Das Problem besteht wohl im Moment darin zu definieren, was das Internet überhaupt ist. Ist es ein Medium zur Übermittlung von Informationen, wie dies die klassischen Medien tun, oder ist es ein Instrument, mit dem man interaktiv werden kann? Heute wird der Unterschied zwischen diesen beiden Richtungen noch nicht überall nachvollzogen. Deshalb trifft man auf den meisten Websites ein grosses Durcheinander von Informationen und interaktiven Möglichkeiten an. Jeder Anbieter versucht, sich durch eine möglichst originelle und aufwändige Homepage von der Konkurrenz abzuheben – aber fast immer auf Kosten der Benutzerfreundlichkeit. Eine in den USA veröffentlichte Studie zeigt, dass das E-Branding schliesslich nicht nur aufgrund einer originellen und möglichst attraktiven Homepage basiert, sondern ebenso auf einem einfachen Zugriff zu den Informationen. Die dritte Generation der Hompages wird dort eben neu überdacht und konzipiert.
Welche Unterschiede sehen Sie generell zwischen den USA und der Schweiz?
Magnenat: Zumindest die grossen amerikanischen Unternehmen investieren enorm in die Benutzerfreundlichkeit der Websites. Dabei wird immer mehr auf grafische Elemente verzichtet, man besinnt sich wieder auf die Wirkung des Geschriebenen. Texte ersetzen allmählich Bilder und Grafiken.
Dann sind die Websites der Schweizer Unternehmen also überladen?
Magnenat: Die meisten Websites, die wir hier sehen, wurden von Grafikern konzipiert. Sie sind sehr ästhetisch und kreativ, aber in den meisten Fällen nicht sehr benutzerfreundlich. Vielfach wird bei der Kreation einer Website auch vergessen, dass sie je nach Bildschirmgrösse des Benutzers anders wirkt und der Zugang zu den Informationen schlicht nicht möglich ist.
Was halten Sie von der Werbung auf den Schweizer Websites?
Magnenat: Von der Benutzerseite her gesehen wird die Werbung auf den Sites allgemein als störend empfunden. Wenn schon Werbung, dann sollte sie immer im direkten Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen und dem Benutzer eine sinnvolle Zusatzinformation geben. In den USA hat ein Test gezeigt, dass Werbung, die zu dominant war, blinkte oder sich bewegte, von den Benutzern mit der Hand abgedeckt wurde, weil sie derart störte.
Dann lohnt es sich also nicht, im Internet Werbung zu schalten?
Magnenat: Doch. Nur muss man bei der Werbung im Internet andere Überlegungen anstellen als bei der Werbung für klassische Medien. Sie muss in jedem Fall benutzerfreundlich sein. Wenn ich zum Beispiel bei Ticketcorner ein Billett für ein Konzert in Basel bestellen will, kann es nützlich sein, wenn ich via SBB-Werbung darauf angesprochen werde, dass ich gleichzeitig die Fahrkarte dazu kaufen kann. Interview: Anita Vaucher