Was bedeutet eigentlich… «Format»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal behandelt er den Begriff «Format».

DIN A4, zumindest die Älteren kennen das noch, ist ein Format. Überhaupt die ganze Reihe rauf und runter von 0 (Weltformat) bis 10 (Kleinstformat) gehören dazu. DIN steht für Deutsche Industrienorm und ist in der westlichen Welt – die angelsächsische ausgeschlossen – ein Begriff mit Leitcharakter. Leitcharakter hatte die deutsche Industrie auch lange Zeit. Dass es der nördliche Nachbar gerade schwer hat, ist wohl niemandem entgangen – und wenn sich in der Schweiz darob Häme breitmacht, dann ist das nicht nur ignorant, sondern hat auch kein Format. Denn die Schweizer Wirtschaft ist grösstenteils von der Deutschen abhängig. Wenn also die Lokomotive Europas stottert, dann kommt auch der Erstklasswagen Schweiz nicht mehr vorwärts – egal ob wir in der EU sind oder nicht.

Kein Format haben aber auch jene, die das Wort plötzlich für alles verwenden, was eigentlich andere Namen hätte. Vielleicht sind sie aber den Coolen und Kreativen einfach zu wenig hip. «Hybrid-Work ist das richtige Format für mich», «Stories sind gute Formate für ihre Social-Kampagne», «Yoga ist ein gutes Format», «Kinderkrippe», «Fondue-Abend», «Dry January»,  «Suppentage» et cetera sind alles plötzlich Formate. Warum eigentlich?

Von der Bildung in den Alltag

Die Ersten, die angefangen hatten über Formate zu sprechen, wenn sie Formen meinten, waren die Menschen in der Bildungsindustrie. Und die ist ja in der Schweiz riesig. Die Zahl der Studierenden an Schweizer Hochschulen nimmt seit Jahren zu. Im Winter- beziehungsweise Herbstsemester 2022/2023 waren in der Schweiz insgesamt rund 274’900 Studierende an öffentlichen Hochschulen immatrikuliert, davon rund 167’700 an Universitäten, etwa 83’700 an Fachhochschulen und knapp 23’400 an Pädagogischen Hochschulen. Im Moment ist aber eine Übersättigung des Marktes feststellbar, was unsere Branche spürt. Werbung für Aus- und Weiterbildungen nimmt mittlerweile in der Hochsaison Dimensionen an, wie wir sie nur von den Krankenversicherungen im Herbst kennen. Jede erdenkliche Plakatstelle wird gebucht, um das Bildungsangebot der Schulen zu bewerben.

Ausgeliehen hat sich die Bildungsindustrie den Begriff aus der Fernsehwelt. Dort wurde der Begriff schon länger für die verschiedenen Sendeformate anwendet. Während Covid hatte das Fernsehen Hochkonjunktur, die Bildungsindustrie hingegen wurde organisatorisch hart gefordert. Es musste von einem Tag auf den anderen weg vom Frontal- (äh)-Präsenz-Unterricht, hin zu Hybrid- oder eben Fern-Unterricht geplant werden. Im Dschungel der Formulierungen wie unter anderem Präsenzkursteilnehmende und Fernstudierende, Vor-Ort-Unterricht, klassischer Unterricht, Online-Unterricht, Digital-Unterricht und Remote-Unterricht fühlten sich Lehrpersonen wie Studierende zunehmend verloren. So wurde begonnen, die ganze Palette an Unterrichtsformen eben Formate zu nennen. Das gab wenigstens ein bisschen Halt.

Und Halt ist gefragt, wenn die Zeiten unsicher sind. Davon können Freikirchen ein Lied singen. Statt aber gleich zu Gott zu beten, fingen wir an, alles Mögliche als Format zu bezeichnen, um ein bisschen Halt zu kriegen in dieser Welt voller Optionen.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

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