Viel Lärm um einen Rabatt

Beim welschen Edipresse-Monatsmagazin Bilan tobt ein Stürmchen (im Wasserglas?)

Beim welschen Edipresse-Monatsmagazin Bilan tobt ein Stürmchen (im Wasserglas?)Von Christophe Büchi Bilan-Chefredaktor Alain Jeannet wird von eigenen Redaktoren der Vorwurf gemacht, er habe sich von Uhrenunternehmer Michel Jordi – gegen alle journalistische Ethik – eine Uhr schenken lassen. Dies stellte sich aber als Falschmeldung heraus.
Die «Bilan-Affäre», die seit mehreren Wochen im Dunkeln schwelte, aber erst in den vergangenen Tagen ans Licht der Öffentlichkeit gelangte, ist ein Muster dafür, wie Gerüchte entstehen. Sie ist aber auch ein Beispiel dafür, wie durch unglückliche (Nicht-)Kommunikationspolitik ein Informationsvakuum geschaffen wird, in dem sich Falschmeldungen immer mehr ausbreiten.
Der Ausgangspunkt: Ein Bilan-Redaktor geht auf Geheiss seines Chefredaktors Alain Jeannet zum Uhrenunternehmer Michel Jordi, um eine Story übers Branding zu schreiben. In der Story soll unter anderem gezeigt werden, wie Jordi seine Marke neu ausrichtet, also weg vom Ethno-Fever-Konzept zu einer haut-de-gamme-orientierten Strategie wechseln will.
Dem Unternehmer behagen die kritischen Fragen des Journalisten nicht. Jedenfalls erzählt er ihm ein perfides Geschichtchen. Kürzlich habe er mit Bilan-Chefredaktor Jeannet getafelt, so Jordi, und da habe die neue Jordi-Uhr Jeannet so sehr ins Auge gestochen, dass er sie gleich übergestreift und seither nicht mehr zurückgegeben habe.
Im Kopf des Bilan-Redaktors beginnt ein rotes Warnlicht zu blinken: «Mein Chefredaktor dreht einen Deal!» Und handkehrum zirkulierte das Gerücht auf der Redaktion, der Chefredaktor habe sich von Jordi eine Uhr schenken lassen und quasi als Dank dafür bei seinem Redaktor eine Jordi-Story bestellt.
Überhaupt sei Jeannet mit der halben welschen Unternehmerschaft «copain-copain» (verbandelt) und für einen kritischen Wirtschaftsjournalismus verloren. Als die kritische Jordi-Story in der Mai-Nummer nicht erschien, hiess es: Jeannet hat sie zensuriert. Und kurz darauf reichten zwei Mitarbeiter bei Edipresse-Verlagsleiter Théo Bouchat ihre Demission ein, unter Hinweis auf einen unüberbrückbaren Gewissenskonflikt.
Zu Beginn kam lediglich ein trockenes «No Comment»
Der Hauskrach bei Edipresse wurde Anfang Juni von der SonntagsZeitung in einer offensichtlich von Jeannet-Gegnern inspirierten Version publik gemacht. Bei Edipresse hoffte man aber noch längere Zeit, die Affäre lasse sich quasi aussitzen.
Doch in den letzten Tagen schaltete sich auch die «Koordination» der Edipresse-Redaktionen in den Streit ein, indem sie sich mit den zwei Demissionären solidarisch erklärte. Dies bewog Bilan-Chefredaktor Jeannet, via Intranet reinen Wein einzuschenken. In Wirklichkeit habe er die Jordi-Uhr nicht geschenkt bekommen, sondern den Fabrikpreis dafür bezahlt. Als Beweis liess Jeannet gleich eine Kopie der Quittung über den internen Ticker laufen.
Auch der Vorwurf, der Wirtschaft unkritisch gegenüberzustehen, wird von Jeannet zurückgewiesen. Es treffe zwar zu, dass er einen Grossteil der welschen Unternehmer kenne – schliesslich organisierte er für den Nouveau Quotidien jahrelang das Forum de Glion. Aber dies bedeute nicht, dass er seine Redaktoren nicht in absoluter Unabhängigkeit ihre Arbeit machen lasse. Tatsächlich erschien die (kritische) Jordi-Story in der Juli-Nummer von Bilan.
Also: Viel Lärm um fast nichts. Die Affäre hat aber eine Vorgeschichte, die erklärt, weshalb aus einer Maus ein Elefant werden konnte. WerbeWoche-Leser erinnern sich, dass dem Relaunch von Bilan unter Alain Jeannet einige Wirren vorausgingen. Jeannets Vorgänger, Max Mabillard, trat nämlich polternd von seinem Amt zurück, worauf er bei der Wirtschaftszeitung L’Agéfi mit der Projektleitung für ein neues Monatsmagazin betraut wurde (er hat inzwischen auch dort das Handtuch geworfen).
Offensichtlich haben gewisse Mitglieder der Mabillard-Crew den neuen Chef Jeannet nie akzeptiert. Die Jordi-Uhr war bloss noch die Nadel, welche die Blase der Unzufriedenheit zum Platzen brachte.

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