Designer erfinden die Welt neu
Manuela Pfrunder ergänzt die Schöpfung und gewinnt den Förderpreis 2000 des Schweizer Grafiker Verbandes
Manuela Pfrunder ergänzt die Schöpfung und gewinnt den Förderpreis 2000 des Schweizer Grafiker VerbandesVon Ernst Weber Im Bourbaki-Panorama zu Luzern fand am 17. November zum zehnten Mal die Verleihung des mit 12000 Franken dotierten Förderpreises des Schweizer Grafiker Verbandes (SGV) statt. Gleichzeitig eröffnete der SGV eine Vortragsreihe, die unter dem Titel «Design und…» eine ganzheitliche Auffassung des Designbegriffs zu entwickeln versucht.
Mit dem Förderpreis zeichnet der SGV die beste Abschlussarbeit eines Prüfungsjahrganges aus. Für den Förderpreis sind jeweils jene Abschlussarbeiten nominiert, die in ihrer Prüfungsregion die höchste Note erzielt haben. So nahmen denn am diesjährigen Jubiläumswettbewerb acht von insgesamt zehn Prüfungsregionen teil. Nicht vertreten waren die Regionen Jura und Lausanne. Das Niveau sei zu hoch, habe deren Begründung für die Abwesenheit gelautet, sagte Jacques Plancherel, bevor er den Förderpreis 2000 Manuela Pfrunder aus Eschenbach LU überreichte.
Die frisch gebackene Gestalterin erhielt die Auszeichnung für eine aufwändige Umsetzung, die sie zum Thema Uniform gestaltete. «Die Projektarbeit besticht durch Originalität, wissenschaftliches, analytisches Vorgehen, beispielhafte Gestaltungsqualität und inhaltliche Innovation», begründete eine aus Vertretern der Prüfungsregionen Basel, Bern, Biel, Genf, Luzern, St.Gallen, Tessin und Zürich und aus einem Vorstandsmitglied des SGV bestehende Jury ihren einstimmigen Entscheid.
Genesis einer uniformen Welt, in der alle gleich gestellt sind
Manuela Pfrunders Ansatz fasst den Begriff Uniform in einer weitest möglichen und für einen jungen Menschen überraschend tiefgründigen Weise: Unter dem Titel «Die Fortsetzung der Schöpfung» visualisierte die 21-jährige Preisträgerin eine durch die fortschreitende Vernetzung und Globalisierung hervorgerufene monokulturelle «Vision der Erde, die darin besteht, dass jeder Person die gleichen Voraussetzungen und Gegebenheiten bereitstehen».
In einer ihrem Entwurf entsprechenden uniformen, fairen Welt möchte Manuela Pfrunder freilich nicht leben, «weil es gerade Unfairness und Ungleichheit sind, die das Leben lebendig machen.» Weiter sagte die Gewinnerin, dass sie verwirrt gewesen sei, als sie im Zuge ihrer Arbeit erkannt habe, dass die Welt wohl so unfair eingerichtet sein müsse, wie sie ist.
Ursprünglich hatte der Förderpreis die Funktion, das Gefälle auszugleichen, das zwischen den Ausbildungsstandards in Zürich und anderen Prüfungsregionen bestand. «Dieses Ziel ist weitestgehend erreicht. Deshalb und auf Grund der neuen Ausbildungslandschaft und Ausbildungssituation müssen wir die Rolle des Förderpreises nun neu überdenken und definieren», sagte Ver-bandspräsident Peter Vetter.
Der Verleihung, die erstmals öffentlich stattfand, ging ein Vortragsnachmittag im Kino Pix 1 voraus, das sich im Untergeschoss des Bourbaki-Panoramas befindet. Mit dieser Veranstaltung eröffnete der SGV einen Zyklus, der den interdisziplinären Diskurs schüren und den Austausch zwischen Pionieren und jungen Berufsleuten eines Faches fördern soll, das heute zahlreiche Gebiete umfasst, deren Grenzen zunehmend verwischen.
«Wir sind an allen Ecken und Enden gefordert, weil unser Gewerbe derart im Aufbruch und die Ausbildung permanent im Fluss ist», erläuterte der Verbandspräsident den Sinn dieser Veranstaltungsreihe, bei der er zum Thema «Design und Innovation» referierte.
Eins ist alles, alles ist eins: nämlich Design
Eröffnet wurde der Vortragszyklus von André Vladimir Heiz. Der Semiotiker und Designtheoretiker mit Lehraufträgen an der Hochschule für Kunst in Zürich und an der Schule für Gestaltung in Biel missionierte im Namen der Designforschung.
Seine im Vortrag dargelegte Theorie geht davon aus, dass der Anfang allen Designs die Forschung ist, Design aber die Folge einer bestimmten Wahrnehmung, die sich zum Objekt ihrer Beobachtung macht. André Vladimir Heiz vergegenwärtigte, dass eine subjektive Vorstellung von Design keinen Wahrheitsbegriff vertreten, sondern nur im Plural und der Mehrheitlichkeit existieren kann.
«Es gäbe gar kein Design, wenn es nicht verschiedene Sichtweisen gäbe», sagte der Referent. Ferner deklarierte der Wissenschafter die Tätigkeit des Designens als die Lust, die Welt, wie sie ist, in etwas anderes zu verwandeln. Diese Lust sieht Heiz aus einer Un- zufriedenheit des Designers entstehen, der immer dann ins Weltganze eingreift, wenn er eine Unvollkommenheit der Gegenwart konstatiert.
«Es kommt kein Student auf die Idee, einen Tisch zu designen, wenn er mit allen vorhandenen Tischen zufrieden ist. Er muss eine Lücke, einen Fehler wahrnehmen, ein Bedürfnis oder einen Bedarf diagnostizieren können», sagte Heiz. Schade war nur, dass der Designtheoretiker für seinen interessanten Vortrag eine zu intellektuelle Terminologie wählte, der die junge Zuhörerschaft teilweise nicht zu folgen vermochte.
Den gesellschaftlichen Kontext nicht aus den Augen verlieren
Einen Kontrapunkt zu Heiz’ theoretischem Exkurs setzte Lars Müller, der zum Thema «Design und Kultur» sprach. Der Grafiker und Verleger, der vorwiegend im kulturellen Umfeld tätig ist und eine Professur für Grafik an der staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe innehat, versuchte die jungen Grafikerinnen und Grafiker zu einem «alten» Berufsverständnis hinzuführen, in dem der Kommunikator eine beratende, planerische und konzipierende statt nur eine formal gestaltende Funktion einnimmt.
«Durch die Technologielastigkeit ist Design zu einer formalen Disziplin geworden, die Gefahr läuft, an Marktwert zu verlieren», sagte Lars Müller, dem es wichtig ist, Schulabgängern einen gewissen Idealismus zwar zu erhalten, ihnen aber gleichzeitig eine sanfte Landung in der Praxis zu ermöglichen.
Müller spricht dem Graphic Designer eine Mitverantwortung an der Gestaltung der kulturellen Gegenwart so lange ab, als dieser auf Grund der Konzentration auf die Technik die Aufmerksamkeit für den gesellschaftlichen Gesamtkontext aus den Augen verliert. «Erst wenn man den Designprozess als einen schöpferischen, fortwährend verändernden Prozess begreift, ist die Gestaltung von Kultur, Politik, Architektur, Produkten und Grafik gleich- zusetzen», meinte der Design-professor.
Im Anschluss an die Preisverleihung hatte man beim Apéro schliesslich Gelegenheit, sich im Designen zwischenmenschlicher Beziehungen zu üben.
Mit dem Förderpreis zeichnet der SGV die beste Abschlussarbeit eines Prüfungsjahrganges aus. Für den Förderpreis sind jeweils jene Abschlussarbeiten nominiert, die in ihrer Prüfungsregion die höchste Note erzielt haben. So nahmen denn am diesjährigen Jubiläumswettbewerb acht von insgesamt zehn Prüfungsregionen teil. Nicht vertreten waren die Regionen Jura und Lausanne. Das Niveau sei zu hoch, habe deren Begründung für die Abwesenheit gelautet, sagte Jacques Plancherel, bevor er den Förderpreis 2000 Manuela Pfrunder aus Eschenbach LU überreichte.
Die frisch gebackene Gestalterin erhielt die Auszeichnung für eine aufwändige Umsetzung, die sie zum Thema Uniform gestaltete. «Die Projektarbeit besticht durch Originalität, wissenschaftliches, analytisches Vorgehen, beispielhafte Gestaltungsqualität und inhaltliche Innovation», begründete eine aus Vertretern der Prüfungsregionen Basel, Bern, Biel, Genf, Luzern, St.Gallen, Tessin und Zürich und aus einem Vorstandsmitglied des SGV bestehende Jury ihren einstimmigen Entscheid.
Genesis einer uniformen Welt, in der alle gleich gestellt sind
Manuela Pfrunders Ansatz fasst den Begriff Uniform in einer weitest möglichen und für einen jungen Menschen überraschend tiefgründigen Weise: Unter dem Titel «Die Fortsetzung der Schöpfung» visualisierte die 21-jährige Preisträgerin eine durch die fortschreitende Vernetzung und Globalisierung hervorgerufene monokulturelle «Vision der Erde, die darin besteht, dass jeder Person die gleichen Voraussetzungen und Gegebenheiten bereitstehen».
In einer ihrem Entwurf entsprechenden uniformen, fairen Welt möchte Manuela Pfrunder freilich nicht leben, «weil es gerade Unfairness und Ungleichheit sind, die das Leben lebendig machen.» Weiter sagte die Gewinnerin, dass sie verwirrt gewesen sei, als sie im Zuge ihrer Arbeit erkannt habe, dass die Welt wohl so unfair eingerichtet sein müsse, wie sie ist.
Ursprünglich hatte der Förderpreis die Funktion, das Gefälle auszugleichen, das zwischen den Ausbildungsstandards in Zürich und anderen Prüfungsregionen bestand. «Dieses Ziel ist weitestgehend erreicht. Deshalb und auf Grund der neuen Ausbildungslandschaft und Ausbildungssituation müssen wir die Rolle des Förderpreises nun neu überdenken und definieren», sagte Ver-bandspräsident Peter Vetter.
Der Verleihung, die erstmals öffentlich stattfand, ging ein Vortragsnachmittag im Kino Pix 1 voraus, das sich im Untergeschoss des Bourbaki-Panoramas befindet. Mit dieser Veranstaltung eröffnete der SGV einen Zyklus, der den interdisziplinären Diskurs schüren und den Austausch zwischen Pionieren und jungen Berufsleuten eines Faches fördern soll, das heute zahlreiche Gebiete umfasst, deren Grenzen zunehmend verwischen.
«Wir sind an allen Ecken und Enden gefordert, weil unser Gewerbe derart im Aufbruch und die Ausbildung permanent im Fluss ist», erläuterte der Verbandspräsident den Sinn dieser Veranstaltungsreihe, bei der er zum Thema «Design und Innovation» referierte.
Eins ist alles, alles ist eins: nämlich Design
Eröffnet wurde der Vortragszyklus von André Vladimir Heiz. Der Semiotiker und Designtheoretiker mit Lehraufträgen an der Hochschule für Kunst in Zürich und an der Schule für Gestaltung in Biel missionierte im Namen der Designforschung.
Seine im Vortrag dargelegte Theorie geht davon aus, dass der Anfang allen Designs die Forschung ist, Design aber die Folge einer bestimmten Wahrnehmung, die sich zum Objekt ihrer Beobachtung macht. André Vladimir Heiz vergegenwärtigte, dass eine subjektive Vorstellung von Design keinen Wahrheitsbegriff vertreten, sondern nur im Plural und der Mehrheitlichkeit existieren kann.
«Es gäbe gar kein Design, wenn es nicht verschiedene Sichtweisen gäbe», sagte der Referent. Ferner deklarierte der Wissenschafter die Tätigkeit des Designens als die Lust, die Welt, wie sie ist, in etwas anderes zu verwandeln. Diese Lust sieht Heiz aus einer Un- zufriedenheit des Designers entstehen, der immer dann ins Weltganze eingreift, wenn er eine Unvollkommenheit der Gegenwart konstatiert.
«Es kommt kein Student auf die Idee, einen Tisch zu designen, wenn er mit allen vorhandenen Tischen zufrieden ist. Er muss eine Lücke, einen Fehler wahrnehmen, ein Bedürfnis oder einen Bedarf diagnostizieren können», sagte Heiz. Schade war nur, dass der Designtheoretiker für seinen interessanten Vortrag eine zu intellektuelle Terminologie wählte, der die junge Zuhörerschaft teilweise nicht zu folgen vermochte.
Den gesellschaftlichen Kontext nicht aus den Augen verlieren
Einen Kontrapunkt zu Heiz’ theoretischem Exkurs setzte Lars Müller, der zum Thema «Design und Kultur» sprach. Der Grafiker und Verleger, der vorwiegend im kulturellen Umfeld tätig ist und eine Professur für Grafik an der staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe innehat, versuchte die jungen Grafikerinnen und Grafiker zu einem «alten» Berufsverständnis hinzuführen, in dem der Kommunikator eine beratende, planerische und konzipierende statt nur eine formal gestaltende Funktion einnimmt.
«Durch die Technologielastigkeit ist Design zu einer formalen Disziplin geworden, die Gefahr läuft, an Marktwert zu verlieren», sagte Lars Müller, dem es wichtig ist, Schulabgängern einen gewissen Idealismus zwar zu erhalten, ihnen aber gleichzeitig eine sanfte Landung in der Praxis zu ermöglichen.
Müller spricht dem Graphic Designer eine Mitverantwortung an der Gestaltung der kulturellen Gegenwart so lange ab, als dieser auf Grund der Konzentration auf die Technik die Aufmerksamkeit für den gesellschaftlichen Gesamtkontext aus den Augen verliert. «Erst wenn man den Designprozess als einen schöpferischen, fortwährend verändernden Prozess begreift, ist die Gestaltung von Kultur, Politik, Architektur, Produkten und Grafik gleich- zusetzen», meinte der Design-professor.
Im Anschluss an die Preisverleihung hatte man beim Apéro schliesslich Gelegenheit, sich im Designen zwischenmenschlicher Beziehungen zu üben.