Der Witz mit der Werbung

Nicht für jedes Produkt eignet sich der Einsatz von Humor – und am wenigsten in Printanzeigen

Nicht für jedes Produkt eignet sich der Einsatz von Humor – und am wenigsten in PrintanzeigenVon Wolfgang Koschnick Humor in der Werbung wirkt garantiert beim Zuschauer oder Zuhörer. Fehlt allerdings der Bezug zum beworbenen Produkt, verpufft die Wirkung des Witzes. Deshalb gilt es, genaue Überlegungen anzustellen, für welches Produkt witzige Werbung wirkt.
Auf den ersten Blick scheint die Sache sonnenklar zu sein: Lustige Werbung macht einfach Spass. Die Leute freuen sich. Vielleicht müssen sie sogar lachen. Das tut gut und bleibt im Gedächtnis haften. Jeder erinnert sich gern an witzige Werbespots. Die Sache läuft also wie geschmiert – denkt man sich so.
Wenn es doch immer nur so einfach wäre. Auf den zweiten Blick aber scheint die Wirkung humorvoller Werbung irgendwo im Nichts zu verpuffen: Die Leute amüsieren sich wohl köstlich und lachen von Herzen, am Ende aber bleibt nur die Erinnerung an den gelungenen Witz. Keiner erinnert sich noch an das Produkt, für das der lustige Spot eigentlich werben sollte.
Und was noch weit schlimmer ist: Die Pointe schleift sich nach ein paar Wiederholungen ab. Kein Witz ist so gut, dass man sich seine Pointe fünf-, zehn- oder gar zwanzigmal anhören könnte. Wenn man wieder und wieder gesehen hat, wie die beiden Jäger mit der Entenpfeife im Schilf zusammenstossen, weil sie sich gegenseitig mit ihrem Gepfeife angelockt haben, kann man nicht mehr darüber lachen. Noch nicht einmal mehr schmunzeln. Und wofür war die Werbung noch gleich? Da genau liegt der Hase im Pfeffer.
Witze leben nun einmal vom Überraschungseffekt einer guten Pointe. Werbung aber lebt von der nachhaltigen Wirkung vieler Wiederholungen – von massivem Werbedruck. Und der macht die schönste Pointe kaputt.
Humor erhöht Glaubwürdigkeit der Werbungtreibenden
Grund genug für die Werbeforschung, sich eingehend und mit gebotener methodischer Sorgfalt mit den möglichen Wirkungen humorvoller oder humoristischer Gestaltungselemente in der Werbung zu befassen. Herausgekommen ist bei der weltweiten Anstrengung der Markt- und Kommunikationsforscher ein wenig mehr als das, was meistens bei solchen Vorhaben herauskommt: Nichts Genaues weiss man nicht.
Denn es gibt ein paar Gewissheiten, die es verdienen, festgehalten zu werden. Kaum zu bestreiten ist die Tatsache, dass man mit Hilfe witziger Werbung hohe Aufmerksamkeit erzielt.
Die Leute gucken erst einmal hin. Das ist angesichts der wahren Werbeflut, die sich täglich über das breite Publikum ergiesst, natürlich ein wahrer Segen, den man gar nicht hoch genug schätzen kann.
Aber hohe Aufmerksamkeit ist eben noch keine Werbewirkung. Sie bietet nur die allerbesten Voraussetzungen dafür, dass die viel beachtete Werbung auch das Kaufverhalten der Umworbenen beeinflusst. Auf jeden Fall ist durch die weltweite Werbeforschung einigermassen sicher belegt, dass humorvolle Werbung neben der Aufmerksamkeit auch die Sympathie für den Werbungtreibenden erhöht. Mehr noch: Humor fördert auch das Verstehen der Botschaft und – nicht immer, aber immer öfter – sogar die Glaubwürdigkeit des Werbungtreibenden. Was kann ein werbungtreibendes Unternehmen sich überhaupt noch mehr wünschen?
Eine Menge! Denn danach wirds schwierig, weil die Gefahr besteht, dass die humoristischen Elemente in einem Werbespot die Aufmerksamkeit vom Produkt selbst ablenken. Die Werbeforscher sprechen gar von einem Vampireffekt. Wie ein wahrhafter Vampir macht sich der Witz über den ganzen Werbespot her und saugt ihm den Bezug zum beworbenen Produkt aus dem Leib. Alle Aufmerksamkeit konzentriert sich auf den Witz, aber auf das Produkt achtet kein Zuschauer und kein Zuhörer mehr.
Am deutlichsten erkennbar ist die Ablenkung von den beabsichtigten Zielen des Werbungtreibenden bei Sex in der Werbung (siehe WW 38/00). Hier wird der Zusammenhang zwischen dem Objekt der Werbung (dem Produkt bzw. der Dienstleistung) und der werblichen Gestaltung entweder künstlich hergestellt, oder er ist überhaupt nicht vorhanden. Bei Humor gilt derselbe Grundsatz. Er ist nur nicht ganz so leicht zu erkennen.
Zu viel Humor schadet der Werbewirkung
Die Ablenkung kann im ärgsten Fall sogar das Verständnis der Botschaft gefährden. So haben zunächst amerikanische Untersuchungen von Leon Festinger und Nicholas Maccoby in den Sechzigerjahren gezeigt, dass eine gewisse Ablenkung während einer kommunikativen Beeinflussung die Wirkung der Beeinflussung sogar erhöhen kann.
In Experimenten wurde dabei eine verbale Beeinflussung mit einem nicht zu dieser beeinflussenden Kommunikation passenden Film kombiniert. Dann wurde die Kommunikationswirkung mit einer Beeinflussung verbaler Art mit passendem Film verglichen.
In einer anderen Untersuchung zeigten G. A. Haaland und M. Venkatesan jedoch: Bei sehr starker Ablenkung werden die Konsumenten deutlich schwächer beeinflusst als ohne Ablenkung. Die relativ schwache Ablenkung der Untersuchung von Festinger und Maccoby führte offensichtlich dazu, dass die Versuchspersonen zwar die Botschaft verstanden, jedoch nicht in der Lage waren, sich kritisch mit ihr auseinander zu setzen. Dieser Wirkungsmechanismus lässt sich direkt auf einen Werbeträger wie das Fernsehen anwenden, dem ja selten die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums zuteil wird.
Viele Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine nicht zu starke Ablenkung Reaktanz verringert. Als Reaktanz bezeichnet man in der Werbeforschung die bewusste Abwehrreaktion gegen «zu dick aufgetragene Reklame»: Der Rezipient wehrt sich gegen den Beeinflussungsversuch oder wehrt eine bereits erfolgte Beeinflussung nachträglich ab und versucht, seine bedrohte Freiheit dadurch wieder herzustellen, indem er die ihm suggerierte Alternative entweder ablehnt oder die Attraktivität aller nicht suggerierten Alternativen aufwertet.
Das Werbepotenzial liegt in den Assoziationen
Die Menschen sind offenbar dazu motiviert, sich nicht beeinflussen zu lassen. Als Folge von Reaktanz kann ein Bumerangeffekt auftreten: Der Betroffene lehnt die in einem Werbespot ausgesprochene Empfehlung ab und tut genau das Gegenteil. Damit Werbung also wirksam beeinflussen kann, müssen Reaktanzgefühle bei den Zielpersonen vermieden werden.
Dieser Gegenüberstellung könnte man allerdings entgegenhalten, dass jede kreative Werbung Gefahr läuft abzulenken: Je kreativer der Einfall, desto grösser wird die Distanz zum beworbenen Produkt. Es kommt also immer darauf an, die kreativen Elemente in den Dienst der Botschaft zu stellen.
Das gilt für Humor ebenso wie für alle anderen Aufmerksamkeit erzeugenden Elemente einer Botschaft. Man sollte auch stets genau darauf achten, an wen eine Botschaft gerichtet ist. Und man sollte dabei die Rezipienten nicht überfordern. Geistreiche Witze auf hohem intellektuellem Niveau sind für die Klientel von Werbebotschaften meist zu hoch. Nicht weil die alle doof sind, sondern weil die meisten von ihnen der Werbung ja überhaupt nicht ihre hoch konzentrierte Aufmerksamkeit entgegenbringen.
Witzige Werbung hat schon oft weit daneben gezielt
Eine grössere Zahl von kontrollierten Untersuchungen zur Überprüfung der Überzeugungswirkung humorvoller Werbebotschaften hat gezeigt, dass sich in der beeinflussenden Wirkung humorvolle und ernste Versionen von Botschaften nicht unterschieden. Das bedeutet auf jeden Fall: Vom Werbewitz hängt die Kaufwirkung von Werbung nicht ab. Das Potenzial witziger Werbung liegt offensichtlich in der Schaffung günstiger Assoziationen und Konnotationen.
Wenn es bei Werbung darum geht, das Verhalten von Zielgruppen zu beeinflussen, dann ist Humor mit Sicherheit kein entscheidender Faktor. Das lässt sich als roter Faden aus allen wissenschaftlichen Untersuchungen entnehmen. Er ist im günstigsten Fall schmückendes Beiwerk. Seine Wirkung beschränkt sich aufs Atmosphärische. Und selbst bei den atmosphärischen Wirkungen kommt es auf den Einzelfall an. Die Sache kann auch öfter mal schief gehen.
Es gibt sogar eine ganze Reihe von Untersuchungen, die davon ausgehen, dass bei witziger Werbung der Schuss grundsätzlich nach hinten losgeht. So haben die amerikanischen Werbeforscher R. I. Haley, J. Richardson und B. M. Baldwin eine Vielzahl experimenteller Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Humor und Beeinflussung in der Werbung durchgesehen und danach festgestellt: «Humor generally correlates negatively with persuasion. Needless to say, humor itself is a complex topic and the range of humor available in this sample was limited. However, these data suggest that use of humor involves substantial risks.» (Es besteht eine negative Korrelation zwischen Humor und Beeinflussung. Ohne Zweifel ist Humor als solcher ein komplexes Thema, und die Bandbreite des Humors in unserer Auswahl war begrenzt. Aber die Daten weisen darauf hin, dass der Einsatz von Humor erhebliche Risiken birgt.) Ja, wenn einer so geschwollen daherredet, muss wohl was dran sein, oder?
Alles in allem gilt: Die werbliche Wirkung von Humor ist nicht eindeutig zu bestimmen. Es kommt tatsächlich sehr auf den Einzelfall an. Und im Einzelfall kommt es sehr darauf an zu prüfen, welche Gefahren für den engen Zusammenhang zwischen Werbewitz und Produkt bestehen. Und genau dies ist wohl der allerschwierigste Akt.
Wenn der Witz in der Werbung ein reiner Selbstläufer ist und auch ohne jede Werbung funktionieren würde, besteht Alarmstufe eins. Wahrscheinlich zielt der Witz dann werbewirkungslos weit daneben.
Ein Witz ist gut, wenn er mit dem Produkt verbunden ist
Das ist – wie der Humor in der Werbung überhaupt – gar nicht lustig und eine bierernste Angelegenheit. Und es ist einer der Gründe, warum die Cannes-Rolle so überaus beliebt ist bei einem breiten Publikum. Die in Cannes alljährlich prämierte Werbung ist unglaublich witzig. Man kann sich das als Unterhaltungsfilm sogar im Kino anschauen, und man kommt aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.
Die armen Juroren prämieren vorzugsweise lustige Werbung. Sie müssten sich ja zu Tode langweilen, wenn sie immer nur die konsequent das Produkt in den Mittelpunkt stellenden Werbespots belohnen müssten. Das alles kann man gut verstehen. Nur: Werbewirksam sind nur wenige dieser Spots. Die meisten tragen bloss zum Amüsement bei. Doch sie tun das in einer Weise, dass die meisten Werbungtreibenden mit königlicher Zurückhaltung konstatieren müssten: «I am not amused.»
Es reicht also nicht aus, einen Werbespot zu kreieren, der von einem unglaublich witzigen Einfall lebt. Wichtiger ist, dass die Pointe selbst unmittelbar auf das beworbene Produkt bezogen ist. Am perfektesten wäre ein Spot, dessen Witz so intensiv auf das beworbene Produkt bezogen ist, dass derselbe Witz für ein anderes Produkt überhaupt nicht oder so gut wie überhaupt nicht gemacht werden könnte. Aber das gelingt Kreativen bestenfalls einmal in mehreren Jahren.

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