«Niemand wünscht sich, dass sich ein Konkurrent das Gros seiner GL unter den Nagel reisst»
Process stellt sich neu auf und plant die Zukunft gemeinsam mit der LSA-Agentur SNK. Martin Kessler, Group Managing Partner von Process, stellt sich den Fragen von Werbewoche.ch.
Die beiden Agenturen Process und SNK schliessen sich zusammen. Mitte Juli wird das SNK-Team zu Process an die Giesshübelstrasse in Zürich ziehen. Bis Ende Jahr bleiben beide Marken im Markt bestehen, im Januar 2020 sollen die beiden Agenturen zusammengeführt werden (Werbewoche.ch berichtete). Entstehen soll aus der Heirat der beiden LSA-Agenturen die «stärkste unabhängige Branding- und Designagentur der Schweiz». Gleichzeitig wurden die Abgänge von Markus Gut, Fabian Bertschinger und Martin Fawer zu Farner Consulting kommuniziert. Werbewoche.ch hat Martin Kessler (Bild oben), Group Managing Partner von Process und zukünftiger Co-CEO der fusionierten Agentur, zum Zusammenschluss befragt.
Werbewoche.ch: Martin Kessler, Sie kommunzierten: «Process und SNK schliessen sich zusammen». Übernimmt Process SNK?
Martin Kessler: Nein. Die beiden LSA-Agenturen Process und LSA gehen als gleichwertige Partner zusammen und gestalten ihre gemeinsame Zukunft.
Kamen für Process auch andere mögliche «Hochzeitspartner» als SNK in Frage?
Auch die Branche der Marken- und Kommunikationsagenturen verändert sich fundamental. Zur strategischen Führung einer Agentur gehört demnach die laufende Evaluation von möglichen Partnern. So haben wir auch schon mit einer Digital- und einmal mit einer Content-Agentur vertiefte Gespräche geführt.
Unter welchem Namen werden die beiden zusammengeführten Agenturen künftig auftreten?
Wir wissen das heute schlicht noch nicht. Unter welcher Marke wir im 2020 an den Start gehen, werden wir gegen Ende Jahr gleich beantworten, wie wir das jeweils auch für unsere Kunden tun: auf Basis einer soliden Analyse.
Wieso wird Process – abgesehen von der Grösse – dank der Vereinigung mit SNK stärker als bisher?
Wenn wir den ganzen Lebenszyklus einer Marke bearbeiten wollen, müssen wir unser Leistungsspektrum laufend erweitern. Und dazu braucht es auch die kritische Grösse, wenn wir starke und kompetente Partner für unsere Kunden sein wollen.
Ist der Entschluss zum Zusammenschluss aus einem wirtschaftlichen Druck oder gar einer wirtschaftlichen Not heraus gefallen?
Ein Trend unserer Zeit ist sicher, dass die grossen Agenturen immer grösser werden und der Rest – die mittleren und kleinen Agenturen – ums Überleben kämpft. Das erzeugt selbstredend den wirtschaftlichen Druck. Und dieser Druck auf die kleineren Agentur nimmt weiter zu, da immer mehr grosse Unternehmen ihre eigenen Design- und Kommunikations-Units aufbauen. Ja, den wirtschaftlichen Druck gibt es – aber es gibt ihn für alle Agenturen, speziell für die kleineren, unabhängigen Anbieter im Markt.
Synergien nutzen bedeutet oft auch Personalabbau. Sind bei Process und SNK Stellen bedroht?
Eine Doppelbelegung im Office-Bereich fordert uns heraus. Sonst gilt das Gegenteil. Bereits zum Start und in den Wochen danach erwarten wir weitere Verstärkungen unseres Teams in Zürich.
Sie führen die Agentur künftig als Co-CEO zusammen mit Oscar Todeschini. Was erwarten Sie vom Co-CEO-Modell?
Dass wir das Unternehmen gemeinsam führen ist Ausdruck von Respekt und Kultur dem Anderen gegenüber. Beide Teams sind ähnlich gross, so sollen sie – ganz speziell in der Phase der Zusammenlegung – auch in der obersten Führungsetage angemessen vertreten sein. Dann berücksichtigt dieses Co-Modell natürlich auch die personelle Besetzung: Oscar Todeschini und ich kennen uns seit mehr als 30 Jahren, wir haben auch schon direkt zusammen gearbeitet und wissen, wie wir miteinander klar kommen. Diese Regelung gilt zumindest, bis wir die Rolle der Geschäftsführung in neue und vor allem jüngere Hände legen können.
Der Zeitpunkt der Kommunikation des Zusammenschlusses fiel genau mit der Bekanntgabe der drei Abgänge von Markus Gut, Fabian Bertschinger und Martin Fawer zu Farner zusammen – reiner Zufall?
Wir haben schon vor langer Zeit mit SNK Gespräche über ein Zusammengehen aufgenommen. An der heute bekannt gewordenen Heirat arbeiten wir seit vielen Wochen und sind nun froh, dass wir auch offen darüber reden können. Zum Zeitpunkt, als die nun beschlossenen Abgänge der drei GL-Mitglieder bekannt wurde, befand sich unser Zusammengehen bereits auf der Zielgeraden. Dass nun die beiden Medienmitteilungen zeitgleich publiziert wurden, liegt viel mehr an der offenen und professionellen Kommunikation zwischen Farner und Process.
Wie sehr schmerzen aus Process-Sicht die prominenten Abgänge?
Natürlich wünscht sich niemand, dass sich ein – zwar viel grösserer – Konkurrent das Gros seiner Geschäftsleitung unter den Nagel reisst. Aber das ist Business. Diese drei Abgänge sind nun aber Tatsache und stehen nicht zur Diskussion, so dass wir sie auch nicht öffentlich kommentieren wollen. Vielmehr konzentrieren wir uns jetzt mit neuer Energie und Lust auf unsere Kundenprojekte. Wenn gute Mitarbeiter ihre eigene Karriere planen, so verstehen wir dies auch als Kompliment, dass es uns offenbar immer wieder gelingt, Triebfeder für Neues zu sein.