Markenvertrauen in der Schweiz – eine noch stärkere Währung als der Franken
Eine der wichtigsten Imagedimensionen einer Marke ist das Vertrauen in sie. Doch Vertrauen ist eine der härtesten Währungen der Welt, für deren Aufbau es ein heutzutage seltenes und oft stiefmütterlich behandeltes Gut benötigt: Zeit. Welchen Marken vertraut die Schweizer Bevölkerung derzeit am stärksten? Das grösste kontinuierliche Markentracking der Schweiz klärt auf.
Vertrauen ist ein omnipräsentes Konstrukt und allgegenwärtig. Ob Selbstvertrauen, Vertrauen in andere Menschen oder in grundlegende Abläufe, beispielsweise im beruflichen Kontext: Ohne Vertrauen wäre unser Alltag nicht zu bewerkstelligen. Auch in Kaufsituationen, die oftmals mit dem Entscheid für oder gegen eine Marke einhergehen, ist Vertrauen essenziell. «Die einzig relevante Emotion in Bezug auf eine Marke ist das Vertrauen ihrer Kundschaft», so der deutsche Markensoziologe Dr. Arnd Zschiesche in seinem Buch «Vertrauen – die härteste Währung der Welt».
Jede Form der Marketingkommunikation habe daher den ausschliesslichen Zweck, dieses Vertrauen immer wieder aufs Neue zu bestätigen. Kampagnen, die diesen Grundsatz nicht berücksichtigen und sich von der Leistung einer Marke entkoppeln, können deshalb kontraproduktiv sein. Denn besonders in der Marketingkommunikation gilt: Jedes Abweichen vom gewohnten und durch den Betrachter erlernten Bild verwirrt die Kundschaft und deren Vertrauen, gerade wenn es sich um eine geliebte Marke handelt.
Wie gut es nun einer Marke gelingt, ein positives Vorurteil in die eigene Leistung zu stärken, zeigt das Ausmass des Vertrauens, das die Menschen in sie haben.
Transa: Vergleichsweise wenig bekannt, geniesst jedoch viel Vertrauen
225 Marken hält eine Messung des Marktforschungsunternehmens Link diesen Spiegel permanent vor. Diese Marken, gemessen im Swiss Brand Observer, bilden einen Grossteil der relevantesten Brands der Schweizer Markenlandschaft ab, sind jedoch nicht abschliessend, da in der Schweiz Ende 2022 insgesamt über 500’000 Marken aktiv waren.
Für die Analyse wurde die aus der Bevölkerung selbstberichtete Markenwahrnehmung der ersten zehn Monate seit Anfang Januar bis Ende Oktober 2023 berücksichtigt. Dabei weisen die meisten Marken eine Datengrundlage von rund 11’000 Interviews auf – für eine Minderheit der Marken werden die besondere Vertrauenswürdigkeit und weitere Kennzahlen hingegen erst seit ihrer Aufnahme ins Markentracking im Juni 2023 gemessen. In diesen Fällen wurden etwas weniger als die Hälfte der Personen befragt. Im Rahmen der Interviews wurden Personen, die eine Marke auf Basis ihres Namens und Logos wiedererkennen, gefragt, ob sie eine Marke als besonders vertrauenswürdig erachten (ja vs. nein).
Wie es in der individuellen Wahrnehmung der einzelnen Menschen Unterschiede in der Markenwahrnehmung gibt – insbesondere bei polarisierenden Marken –, so zeigen sich zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gewisse Tendenzen und damit spannende Unterschiede. Für die hier gezeigten Vertrauenswerte wurden die relativen Vertrauensscores berechnet. Dabei wurde die beurteilte Vertrauenswürdigkeit einer Marke in Relation zu ihrer Bekanntheit gesetzt. Weniger bekannte Marken können also besser abschneiden, auch wenn sie absolut betrachtet von weniger Personen in der Schweiz als vertrauenswürdig erachtet werden, da sie (noch) unbekannter sind. So ist die Outdoor-Marke Transa beispielsweise nur 39 Prozent der Bevölkerung bekannt, auf die Gesamtbevölkerung berechnet erachten sie somit nur 17 Prozent der Schweizer als besonders vertrauenswürdig. Im Verhältnis zur Kennerschaft – die erwähnten 39 Prozent – weisen diese 17 Prozent jedoch einen relativen Vertrauensscore von 42 Prozent aus, was Transa im Ranking der besonderen Vertrauenswürdigkeit auf Platz 20 von 225 befördert.
Westschweizer und Autofahrer schenken dem TCS besonders viel Vertrauen
Eine der Marken, die in der Wertung besonders hervorsticht, ist der Touring Club Schweiz (TCS). Der Hauptsitz des TCS liegt im Genfer Vernier, und Nähe schafft Vertrautheit – eine Vorbedingung für die Entstehung von Vertrauen. Es ist entsprechend nicht überraschend, dass TCS von 225 Marken Platz 2 im Vertrauensranking (relativ zur Bekanntheit der Marke) der Westschweiz erreicht und dort vertrauenswürdiger eingestuft wird als in der Deutschschweiz. Die gestützte Bekanntheit liegt sowohl in der Deutsch- als auch der Westschweiz bei rund 92 Prozent, in der Westschweiz ist die Marke jedoch für mehr als jede zweite Person besonders vertrauenswürdig, während in der Deutschschweiz nur jede dritte Person so denkt (Platz 27). Dabei lässt sich insgesamt auch ein Unterschied zwischen Auto-Besitzern und Personen ohne Auto beobachten: Menschen mit einem eigenen Auto vertrauen dem TCS signifikant häufiger als Personen, die kein eigenes Fahrzeug besitzen. Das gilt sowohl in der Westschweiz (auf höherem Niveau) als auch in der Deutschschweiz. Leider liegen keine Daten vor, wie viele Personen davon auch Mitglied beim TCS sind.
Neben dem TCS rangiert mit Cailler in der Westschweiz eine weitere Marke, die auf der östlichen Seite des Röstigrabens deutlich tiefere relative Vertrauenswerte aufweist (nur jede dritte Person), in den Top 5 (mit 51 Prozent). Auch bei den über 60-Jährigen weist die Schokoladenmarke aus dem Haus Nestlé deutlich höhere Werte auf als bei den 15- bis 29-Jährigen (44 Prozent vs. 32 Prozent). In der Westschweiz gibt es zudem noch eine weitere Marke, die unerwartet in den Top 10 auftaucht: Der Outdoor-Spezialist Bächli Bergsport, der in der französischsprachigen Hälfte des Landes nur in Conthey und Lausanne mit einer Filiale vertreten ist. Die noch eher überschaubare Kennerschaft (16 Prozent) in der Westschweiz hat hingegen starkes Vertrauen in den Brand, und auch in der Gesamtschweiz erzielt der Sportausstatter mit Platz 24 ein gutes Ergebnis. Bächli Bergsport ist neben Konkurrent Transa und der noch jungen Lenzburger Marke Nikin die einzige Marke mit einer gestützten Bekanntheit von unter 40 Prozent, die bei mindestens 2 von 5 Personen eine besondere Vertrauenswürdigkeit aufweist.
Junge Frauen vertrauen nur der Migros noch stärker als Nikin
Der noch junge Brand Nikin ist besonders bemerkenswert; erst 2016 gegründet – und damit noch blutjung – ist die Marke bereits 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung ein Begriff, bei den unter 30-Jährigen sogar jeder zweiten Person. Junge Frauen im Alter von 15-29 Jahren kennen die Marke in zwei von drei Fällen zumindest gestützt, und rund die Hälfte davon erachten die Marke, die für jedes gekaufte Produkt einen Baum pflanzen lässt, als besonders vertrauenswürdig. Neben den «Big Players» Migros (Platz 1) und Coop (Platz 3) sind auch die SBB und Twint bei den 15- bis 29-jährigen Frauen in den Top 5 der Vertrauenswürdigkeit. Bei den jungen Männern tauchen zwei weitere Marken aus dem Migros-Universum auf: Galaxus und Digitec.ch, die in dieser soziodemographischen Gruppe bei jedem Zweiten besonderes Vertrauen geniessen. Nikin rangiert hier nicht ganz so weit oben, ist jedoch auch in den Top 15 zu finden.
Auf der anderen Seite der Skala finden sich bei den Jungen – unabhängig vom Geschlecht – Marken wie Credit Now, AliExpress, Wish oder Teleboy. Diese Marken sind ebenso jeweils rund der Hälfte der Befragten oder mehr ein Begriff, doch kaum eine Person assoziiert damit eine besondere Vertrauenswürdigkeit. Gesamtschweizerisch teilen sich auch die Marken Uber und Uber Eats, Möbelhändler XXXLutz oder der noch eher junge Versicherungsbrand Smile das Schicksal, zwar mindestens jeder zweiten Person ein Begriff zu sein, aber nur von einem Bruchteil (maximal 4 Prozent der Kennerschaft) mit Vertrauen beschenkt zu werden.
Vereint werden diese Marken dadurch, dass sie entweder noch nicht sehr lange (in der Schweiz) existieren und/oder der keine typischen Schweizer Marken sind beziehungsweise nicht als solche wahrgenommen werden. Denn: Je höher die wahrgenommene Swissness einer Marke, desto höher ist auch deren Vertrauenswürdigkeit. Das nachfolgende Streudiagramm zeigt diesen Zusammenhang zwischen relativer Vertrauenswürdigkeit und relativer Swissness – das heisst im Verhältnis zur Bekanntheit – deutlich auf, jedoch ohne Anspruch auf Kausalität. Zum Stichwort «Swissness» findet die KI-Software Neuroflash unter anderem die Assoziationen «Berge», «Schokolade», «Uhren», «Pünktlichkeit», «Banken» oder «Neutralität». Typische Vorurteile, die niemanden überraschen dürften – und ein Vorurteil ist schwerer zu spalten als ein Atom, wie bereits Physiker & Nobelpreisträger Albert Einstein einst festhielt.
Eine Marke tut also gut daran, ihre positiven Vorurteile bei ihrer (potenziellen) Zielgruppe immer wieder aufs Neue zu bestätigen – langweilig, aber effektiv. Aber: Wenn Swissness nicht mit der Marke assoziiert wird (sprich: kein positives Vorurteil über die Marke darstellt) bzw. nicht zu deren Markenkern gehört, sollte man sich gut überlegen, ob die Kommunikation darauf ausgerichtet werden sollte. Denn ein (positives) Vorurteil ist nicht nur schwerer zu spalten als ein Atom, es ist auch harte Arbeit, eines aufzubauen.
Zur Methodik des Swiss Brand Observer
- Studie: Swiss Brand Observer – kontinuierliches Markentracking (365 Tage pro Jahr)
- Grundgesamtheit: Schweizer Wohnbevölkerung im Alter von 15 bis 79 Jahren
- Stichprobengrösse Januar – Oktober total: ca. n = 10’500
- Vertrauensintervall für Gesamtstichprobe: max. +/- 1%
- Forschungsmethode: Online-Interviews
- Quotierung/ Gewichtung: nach Alter, Geschlecht und Sprachregion interlocked
- Zufallsstichproben aus dem Link Online Panel, das zu 100% aktiv im Rahmen telefonischer Repräsentativstudien rekrutiert wird und damit mehr als 97% der relevanten Bevölkerung erreicht; Befragungsteilnehmende werden für jeweils mindestens drei Monate von Folgebefragungen ausgeschlossen
- Befragungszeit: 01.01.2023 bis 22.10.2023
- Weitere Quellen: Brand-trust.de; Zschiesche, A. (2021). Vertrauen – die härteste Währung der Welt. Gabal Verlag
- Ansprechpartner Link Zürich; Matthias Biedermann, Research Consultant