Livio Dainese: «Wie schaffen Marken es, dass ich Nachhaltigkeit als ganz normaler Mensch verstehe und da mitmachen will?»
Wirz lanciert ein Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit. Als Sparring-Partner fungiert niemand Geringeres als das Institut für Marketing & Customer Insight der Universität St.Gallen. Werbewoche.ch spricht mit Livio Dainese von Wirz und Prof. Dr. Johanna Gollnhofer von der HSG über das «Wie» in der Nachhaltigkeits-Kommunikation.
Werbewoche.ch: Warum lanciert Wirz das Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit?
Livio Dainese: Wir sind grundsätzlich eher eine stille Agentur. Wir machen lieber. Da wir aber schon viel geleistet haben in Sachen Nachhaltigkeitskommunikation, wissen wir um die Verunsicherung der Unternehmen in Bezug auf das „Wie“. Zurecht schaut das öffentliche Auge kritisch auf Produkte, Angebote und Dienstleistungen, die sich Nachhaltigkeit auf die Stirn schreiben.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der HSG?
Prof. Dr. Johanna Gollnhofer: Wir fungieren als Sparring Partner. Wir als Universität bieten natürlich keine Beratung oder Dienstleistung an, aber wir helfen, dem Thema ein fundiertes, theoretisches Fundament zu geben. Wir profitieren von dem Agentur-Know how und Wirz kann seine Workshops zum Thema Nachhaltigkeits-Kommunikation theoretisch abstützen. Wir arbeiten zusammen mit Wirz an einer Studie zum Thema, die nächstes Jahr veröffentlicht wird.
Was sind denn die grössten Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit, mit denen die Kunden zu tun haben?
Dainese: Ein Unternehmen muss sich entscheiden. Oft ziehen sie sich Kleider an, die ihnen nicht perfekt passen. Das sehen die Konsumenten sofort und dann ist das Unternehmen nicht glaubhaft. Da hilft nur schonungslose Ehrlichkeit. Dabei helfen wir.
Gollnhofer: Es ist immer ein Prozess. Welches Unternehmen ist schon zu 100 Prozent nachhaltig? Wenn meine Konsumenten mir aber glauben, dass ich einen nachhaltigen Aufwand betreibe, dann bewerten sie es positiv. Wenn sie es mir aber nicht glauben, dann kommt es schnell zum Vorwurf des Greenwashings. Es hängt alles an diesem Dreh- und Angelpunkt der Glaubwürdigkeit.
Gollnhofer: Man muss sich eben auch fragen, was ist relevant für meine Zielgruppe. Nachhaltigkeit ist ein Wort, das jeder anders definiert. Für die einen bedeutet Nachhaltigkeit Tierwohl. Für andere ist Nachhaltigkeit mehr auf Produktionsketten gerichtet. Kunden müssen sich fragen, was sind denn die Nachhaltigkeitsziele die gut zu meiner Marke passen und die gleichzeitig auch relevant für mein Zielsegment sind? Es geht darum, das abstrakte Wort auf etwas konkretes runterzubrechen.
Ist das Thema Nachhaltigkeit denn noch auf der Agenda der Unternehmen? Momentan beherrschen ganz andere Themen die Realität.
Dainese: Der Fokus hat sich natürlich momentan verschoben. Das merkt man. Aber die Verpflichtung bleibt. Es ist mir persönlich wahnsinnig wichtig, dass wir alle dranbleiben. Es wird immer Krisen geben, ohne die aktuelle Lage klein zu reden, aber das kann uns nicht davon befreien, aktiv zu werden.
Kommen wir nochmal auf das Kompetenzzentrum von Wirz zurück? Was bieten Sie den Kunden damit?
Dainese: Einerseits bieten wir Workshops an, wo man lernt, wie man sich positionieren kann, will und soll. Das ist eine entscheidende Grundlage, aber eine Positionierung allein bewegt gar nichts. Wir können auch die Kommunikation liefern. Hier machen wir den Unterschied, weil wir genau wissen, was da draussen funktioniert und vor allem auf welche Botschaften und welche Tonalität die Zielgruppen reagieren.
AK: Wie stehen Sie zum Wort Nachhaltigkeit?
Dainese: Das Wort ist omnipräsent und bedeutet alles oder gar nichts. Ich glaube die grosse Schwierigkeit in der Kommunikation ist, wie spricht man über Nachhaltigkeit, ohne dass es schwer wirkt und die Leute ein schlechtes Gewissen bekommen? Das ist die grosse Aufgabe von Kommunikation, im Kern rüberzubringen, was die Marke sagen will, so dass ich als ganz normaler Mensch es verstehe und da mitmachen will.
Gollnhofer: Da stimme ich zu. Nachhaltigkeit wird ernst und schwer transportiert. Und wir wissen ja alle, wie man Menschen motiviert. Durch Leichtigkeit, durch Witz, durch Spass. Ich habe das Gefühl, das Marken oft der Mut fehlt, das Ganze spielerischer anzugehen.