«Eine Fusion? Diese Energie investieren wir lieber ins Team»

Seit 2020 arbeiten die Agenturen Wirz und Webrepublic unter dem Namen «BoB – Best of Both» zusammen an ausgewählten Projekten. Die kombinierte Marktmacht löste damals grosses mediales Interesse und branchenweite Befürchtungen aus. Was ist seither passiert? Eine Zwischenbilanz.

Petra Dreyfus, Co-CEO Wirz, Tobias Zehnder, Partner & Co-Founder Webrepublic, Simone Jehle, Client Service Director & Partner Wirz, und Tobias Eisner, Strategic Development Lead Webrepublic (v.l.n.r.).

Vor zwei Jahren kündigten Wirz und Webrepublic an, ihre Kompetenzen unter dem Namen «BoB – Best of Both» zu bündeln. Kein formeller Zusammenschluss, sondern eine projektbasierte Kooperation sollte Synergien schaffen, die den Kund:innen «das Beste aus zwei Welten» liefern: Kreation und Kommunikation aus dem Hause Wirz, digitale und Media-Kompetenz von Webrepublic, gebündelt und koordiniert von Verantwortlichen beider Organisationen. Die Sonntagszeitung widmete dem Vorhaben dazumal einen Primeur; gleichzeitig ging ein Raunen durch die Schweizer Kommunikationsbranche: War das nur der erste Schritt hin zu einem Merger von zwei der grössten Agenturen des Landes? Und was würde das für die Konkurrenz bedeuten?

«Fast forward» zu einem Juni-Morgen 2022 im Webrepublic-Hauptquartier an der Zürcher Bederstrasse: Die formelle Fusion ist ausgeblieben, Wirz und Webrepublic existieren weiterhin unabhängig – aber «BoB», so sagt das Leadership-Team um Petra Dreyfus, Tobias Zehnder, Simone Jehle und Tobias Eisner, laufe besser denn je. Für Werbewoche.ch ziehen sie eine Zwischenbilanz.

 

Werbewoche.ch: Vor zwei Jahren haben Wirz und Webrepublic das Projekt «BoB – Best of Both» zusammen ins Leben gerufen. Was ist seither passiert?

Tobias Zehnder: Extrem viel. Beide Agenturen haben enorm in die Zusammenarbeit investiert – personelle Ressourcen, Zeit, Kapazitäten für den Aufbau kooperativer Strukturen… und wir sind füreinander die wichtigsten Partner geworden: Wir haben gemeinsam für grosse Kunden zu arbeiten begonnen. Für Yallo, Migipedia, und andere; das sind Projekte, die man momentan auch sieht, wenn man durch die Stadt Zürich spaziert. Wir haben gelernt, was funktioniert, und haben das, was am Anfang nicht geklappt hat, optimiert. Jetzt macht es einfach extrem viel Spass, so miteinander zu arbeiten. Nur eine gemeinsame Weihnachtsfeier hatten wir noch nie – da war die Pandemie nicht gerade hilfreich, muss ich sagen (lacht).

Petra Dreyfus: «BoB» ist immer noch ein Wollen, nicht ein Müssen. Unsere Kooperation basiert nach wie vor auf dem selben, zweiseitigen Handout, mit dem wir damals gestartet sind. Die gemeinsame Arbeitshaltung, tolle Projekte für spannende Kund:innen realisieren zu wollen, hat sich nicht verändert – auch wenn wir durch die Pandemie viel seltener räumlich zusammen kommen durften, als wir uns das ursprünglich gewünscht haben. Wir haben uns aber bei virtuellen «BoB-inaren» gegenseitig gezeigt, was wir machen. Und ganz viel voneinander gelernt.

 

Wie kann ich mir die Zusammenarbeit vorstellen? Kund:innen treten an eine Ihrer Agenturen heran, dann wird das Mandat bei Bedarf auf «BoB» erweitert – oder pitchen Sie gleich gemeinsam?

Simone Jehle: Mein Kollege Tobias Eisner und ich bilden die direkten Ansprechpartner für die gemeinsame Initiative – und ganz oft wollen die Kund:innen von Anfang an die kombinierte Power von «BoB», melden sich also direkt bei uns beiden. Es gibt aber natürlich auch Webrepublic-Kund:innen, die an einem gewissen Punkt Support von Wirz brauchen – und vice versa. Gepitcht haben wir auch schon zusammen.

Dreyfus: Der «Single Point of Contact» mit Simone Jehle und Tobias Eisner als Schnittstelle ist ein riesiger Vorteil. Wenn jemand sich direkt an «BoB» wendet, dann gibt es nur eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner. Keine Verwirrung, keine Unklarheiten – die Kund:innen sagen den «BoB»-Verantwortlichen, was sie brauchen, und wir überlegen uns intern, wie wir das am besten lösen.

Zehnder: Die verantwortlichen Mitarbeitenden bei Wirz und Webrepublic werden dann nach Kompetenzen ausgesucht und manchmal wissen die Kund:innen gar nicht, wer aus unserem gemeinsamen Pool von 400 Expert:innen an ihren Aufträgen arbeitet – ob nun Webrepublic gerade den Lead hat, ob Wirz mehr Input liefert – wir kommen dann einfach über «BoB» mit einem tollen Ergebnis aus dem Prozess und machen, hoffentlich, alle Beteiligten happy (lacht).

Tobias Eisner: Wissen Sie, die Kund:innen haben intern ja auch nicht immer die Kenntnisse, a priori zu entscheiden, ob eine Agentur wie Webrepublic oder eine Agentur wie Wirz besser für die Lösung ihrer Probleme geeignet wäre. Sie nehmen deshalb extrem positiv auf, dass wir ihnen bei dieser Entscheidung helfen – respektive gar keine «Entscheidung» mehr erzwungen werden muss.

 

Sie sprachen vorhin über das Kennenlernen zwischen Ihren beiden Unternehmungen. Was hat Wirz am meisten daran überrascht, wie Webrepublic arbeitet – und wovon war Webrepublic bei Wirz überrascht?

Zehnder: Die Kultur und die Art und Weise, wie Petra und Livio (Dainese, Anm. d. Red.) zusammen als Führungs-Duo arbeiten, ist mega cool. Das ist sehr direkt, sehr inspirierend. Ich finde auch den Stellenwert von Ideen und die Tatsache, dass bei Wirz so hart um gute Ideen gekämpft wird, beeindruckend. Und schliesslich habe ich viel darüber gelernt, wie Kreativität als Prozess organisiert werden kann. Wir sehen ja auf Media-Seite oft nur das fertige Artefakt, das irgendwann einmal hinten aus der Maschine plumpst. Aber wie man das sozusagen im Zusammenspiel organisiert, das ist schon spannend.

Dreyfus: Hart gesagt: Wir als Kreativ-Agentur hören oft auf, zu arbeiten, wo die Distribution mit der Arbeit beginnt. Oder vielleicht sogar schon, wo es an Teile der Realisation geht. Beides kann aber auch die beste Idee noch kaputt machen – denn Ideen sind letztendlich nur so gut wie ihre Umsetzung. Von Webrepublic lernen wir immer besser zu verstehen, dass Ideen gleich auf die intendierte Distribution hin gedacht werden können. Und das ist grossartig.

Jehle: Ich komme ursprünglich mehr aus dem Bereich Offline, aber als ich im Auftrag von Wirz die Position der «BoB»-Client-Director angenommen habe, war ich ein paar Wochen bei Webrepublic und habe mir alles genau anschauen dürfen. Mein Kollege Tobi Eisner, mein Pendant von Webrepublic, ging währenddessen zu Wirz. Und ich habe verstanden: Viele Wordings, die wir in der Kreation benutzen, werden in einer Digitalagentur ganz anders interpretiert. Es ist eine Branche, oft die Arbeit an ein- und derselben Challenge – aber man muss die selbe Sprache sprechen können, um die besten Resultate zu erzielen.

 

Andere Schweizer Agenturen haben sich in den vergangenen Jahren Kompetenzen hinzugekauft – und die entsprechenden Agenturen bei sich «eingemeindet». War der Merger, die Fusion bei Ihnen nie ein Thema?

Zehnder: Wir sind beide sehr klar positionierte Agenturen mit einem Führungsanspruch in unserem jeweiligen Gebiet. Für Webrepublic würde ich sagen: Das Thema Kreation in einer solchen Qualität dazuzunehmen, wie wir es via «BoB» gemacht haben, wäre für uns gar nicht möglich gewesen, wenn wir einfach zwei oder drei Leute zusätzlich einstellen. Gleichsam wäre es umgekehrt für Wirz weniger hilfreich, eine kleine oder mittelgrosse Digitalagentur zu kaufen und zu integrieren. Da fehlt jeweils, wenn wir ganz ehrlich sind, die Glaubwürdigkeit auf Kundenseite.

Jehle: In der Zusammenarbeit ist es für mich auch extrem spannend, eben nicht unter einem Dach zu sein, sondern mit unterschiedlichen Mindsets an das selbe zu glauben – zwei Perspektiven einzubringen, sich unabhängig und partnerschaftlich anzutreiben, nicht den einfachsten möglichen Weg zu gehen – nicht den geringsten Widerstand, sondern das beste Produkt zur Priorität zu machen.

Zehnder: Was den Merger angeht, hat es mal ein Kollege auf den Punkt gebracht: «Wieso das Geld in Anwälte investieren, wenn wir es stattdessen in die Zusammenarbeit und ins Team investieren können?» Wir haben vielleicht die Erwartungen des Marktes unterlaufen – viele haben gar nicht geglaubt, dass man so zusammenarbeiten kann, wie wir das bei «BoB» tun. Aber es funktioniert wirklich bestens.

 

Wenn eine Ihrer Agenturen eine neue Abteilung eröffnet – oder eine neue Sub-Brand, wie gerade Webrepublic mit «RAWR»; wird dieses neue Angebot dann automatisch Bestandteil des «BoB»-Portfolios?

Zehnder: Klar, warum nicht? Wenn sich einer der beiden Partner stärkt, seine Leistungen ausbaut, dann hilft das auch dem anderen. Wir leben in einer komplexen, schnelllebigen und extrem fragmentierten Welt, und je feingliedriger und breiter wir hier gemeinsamen Lösungen anbieten können, desto besser.

 

Damit deuten Sie den Blick in die Zukunft schon an: Was kommt für «BoB» als nächstes – wo sehen Sie Entwicklungs- und Wachstumspotenziale?

Jehle: Wir wollen die Zentrale von «BoB», die momentan mit einem Kernteam operiert, grösser machen. Webrepublic und Wirz haben innerhalb dieser Strukturen schon echt tolle Dinge realisiert. Davon wollen wir mehr, das ist klar.

Eisner: Ich sag’s mal in einer Pitch-gerechten Sprache (lacht): Wir wollen spannende Projekte von A bis Z konzipieren, realisieren und mit maximaler Wirkung am Markt distribuieren. Und wir wollen gegenseitig noch stärker Ausbildungs- und Know-how-Ressourcen teilen.

Zehnder: Hinter den Kulissen wollen wir sicher auch noch stärker in Fragen der Human Resources oder bei strategischer Planung zusammenspannen. Ich denke, es wird den einen oder die andere in der Branche noch überraschen, was mit «BoB» so alles möglich wird.

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