Simon Marti von der NZZ am Sonntag gewinnt Prix Transparence 2023
Lange wälzte der Bundesrat das heikle Dossier zu Sanktionen gegen China – und schwieg dazu in der Öffentlichkeit. Für die Rekonstruktion dieser Diskussionen wird Simon Marti von der NZZ am Sonntag mit dem Prix Transparence 2023 ausgezeichnet.
Gestützt auf Behördendokumente realisierten Schweizer Medienschaffende 2023 so viele Beiträge wie noch nie: Sie zeigen, wie Migros den Preisüberwacher unter Druck setzte oder wie eine Untersuchung zu Indiskretionen im Bundesrat die Persönlichkeitsrechte Tausender verletzte. Zur besten Transparenzstory des Jahres 2023 kürte eine Fachjury eine Artikelserie von Simon Marti in der «NZZ am Sonntag» zu China-Sanktionen.
Ab Frühling 2021 rang der Bundesrat mit der heiklen Frage, ob er EU-Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverletzungen an Uiguren unterstützen solle. Während Monaten liess die Regierung in einer Koordinationsgruppe rechtliche Aspekte und Chancen sowie Risiken eines solchen Entscheids abklären.
Mechanismen einer Entscheidungsfindung offengelegt
Nach mehreren Beratungen lehnte der Bundesrat Massnahmen gegen chinesische Funktionäre oder Unternehmen ab. Das stand im Widerspruch zur offiziellen China-Strategie des Bundes, die Menschenrechte stark gewichtet. Seinen Entscheid kommunizierte der Bundesrat der Öffentlichkeit nicht. Dieser hätte zweifellos für Aufsehen gesorgt und Kritik erregt.
Zum verborgen gehaltenen Vorgang in der Regierung verlangte NZZ-am-Sonntag-Journalist Simon Marti Dokumente von der Verwaltung und kämpfte in einem Schlichtungsverfahren für den zuerst verweigerten Zugang. «Diese Art von Recherche ermöglicht es, die Mechanismen einer sehr politischen Entscheidungsfindung effizient zu entschlüsseln», sagt Nicole Lamon, Mitglied der Fachjury.
Regionalpreis geht an Léman Bleu
Der Prix Transparence Regio, der Recherchen im Regional- und Lokaljournalismus auszeichnet, geht dieses Jahr an Jérémy Seydoux von «Léman Bleu». Er ging der Frage nach, ob die damalige Genfer Grünen-Staatsrätin Fabienne Fischer für ihre Wahlkampagne Staatsgelder missbraucht hatte.
Ein Genfer Kantonsrat hatte mit dem kantonalen Öffentlichkeitsgesetz zahlreiche Dokumente und E-Mails erhalten, die auf Unstimmigkeiten bei der Wahlkampagne der Grünen-Staatsrätin hinwiesen. Die journalistische Auswertung von Jérémy Seydoux zeigte, dass tatsächlich eine offensive Kommunikationstätigkeit von zwei Mitarbeitenden der Staatsrätin stattgefunden hatte. Diese überschritt möglicherweise die regulären Aufgaben und diente eher den persönlichen Interessen der Chefin als dem Departement.
Öffentlichkeitsgesetz.ch verleiht den nationalen Prix Transparence zum sechsten Mal. Damit ausgezeichnet werden Medienschaffende, die ein Öffentlichkeitsgesetz zielführend und wirkungsvoll anwenden.
- 2022 wurde der Journalist Yves Demuth vom Beobachter geehrt. Hartnäckig verlangte er von der Verwaltung Fakten zu internierten jungen Frauen heraus.
- 2021 wurde die Journalistin Adrienne Fichter von Republik ausgezeichnet. Mit amtlichen Dokumenten hat sie bundesinterne Diskussionen über eine Privatisierung der elektronischen Identität rekonstruiert.
- 2020 wurden die Journalisten Jan Jirát, Kaspar Surber und Lorenz Naegeli von der Woz geehrt. Fünf Jahre kämpften sie für Daten, die einen tiefen Einblick ins Schweizer Rüstungsgeschäft ermöglichten.
- 2019 wurden Nina Blaser und Anielle Peterhans von der «Rundschau» ausgezeichnet. Sie brachten die Fakten über die Preisverhandlungen zu einem Krebsmedikament auf den Tisch.
- 2018 wurde Philippe Boeglin von La Liberté geehrt. Er enthüllte mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes Spesenexzesse der Armee.