Arie für ein Genfer Gratisblatt

Verleger Jean-Marie Fleury feiert den 30. Geburtstag von Genève Home Informations mit Belcanto

Verleger Jean-Marie Fleury feiert den 30. Geburtstag von Genève Home Informations mit BelcantoVon Christophe Büchi Das Genfer Gratiswochenblatt GHI (Genève Home Informations) feiert seinen 30. Geburtstag. Dem Verleger Jean-Marie Fleury ist es bisher gelungen, seinen Gratisanzeiger an den Turbulenzen des Genfer Medienmarkts vorbeizusteuern.
Wenn man bei GHI in Genf anruft und aufs Wartebänkchen geschoben wird, bekommt man den beschwingten Belcanto eines organstarken Tenors verabreicht. Und ganz nach Belcanto tönen auch die Komplimente, die sich GHI zum 30. Jahrestag selbst serviert.
Im Verlauf der letzten 30 Jahre «wurde GHI bei den Genfern zu einer Art Canard enchaîné», heisst es da, und weiter: «ein schmeichelhafter Übername». In der Tat, kann man da nur sagen! Obgleich der WerbeWoche-Korrespondent besagten Vergleich mit dem französischen Satireblatt im GHI-Communiqué erstmals gelesen hat. Wie war das schon wieder mit dem Eigenlob?
Wenn zwei (oder gar drei) sich streiten…
Diese Faktenlage aber ist gesichert: Jean-Marie Fleury hat mit seinem GHI welsche Pionierarbeit geleistet. Das Blatt mit dem komischen, in veritablem Franglais gehaltenen Namen stiess bei seinem Erscheinen auf wenig Freude – auf dem angespannten Genfer Pressemarkt stritten sich damals die Tribune de Genève, das Sonor-Blatt La Suisse, das liberale Journal de Genève und sogar der linkskatholische Courrier de Genève um die zu verteilenden Werbefranken.
Dem Blatt, das zunächst vierzehntäglich erschien, ab 1977 dann zum Wochenrhythmus überging, kam die harte Wettbewerbssituation auf dem Presseplatz jedoch zugute: Weil weder La-Suisse-Verleger Jean-Claude Nicole noch die (damals der Publicitas-Gruppe gehörende ) Tribune de Genève in den Siebzigerjahren eine klare Leaderposition hatte, konnte sich der schlaue Aussenseiter Fleury nach und nach einen kleinen Platz an der Sonne ergattern. Fleury war übrigens auch der Gründer des Lausanner Gratisanzeigers Lausanne-Cités, den er aber schon bald seinen Partnern von der Edipresse-Gruppe verkaufte.
In den letzten Jahren konnte sich GHI fest etablieren, obgleich inzwischen Edipresse – als Besitzerin von La Tribune de Genève und Le Matin und Teilhaberin an Le Temps – den Genfer Presseplatz fest unter Kontrolle hält. Die starke Position von Edipresse konnte also Fleury bisher nichts anhaben.
Im Gegenteil: GHI verstand es in der Vergangenheit ganz gut, nach aussen den gutgenferischen Aussenseiter zu spielen, der dem «Waadtländer Monopolisten» Edipresse Paroli bietet. Von Kämpfen des kleinen David gegen den grossen Goliath kann freilich keine Rede mehr sein, in Wirklichkeit halten Edipresse und Fleury je 50 Prozent des Titels.
Dennoch: Dass sich Fleury 30 Jahre halten konnte, ist eine Leistung, auch wenn bei der Konkurrenz immer wieder der Vorwurf zu hören ist, Fleury betreibe Dumpingpolitik (aber welchem Teilnehmer im Annoncenmarkt wird dieser Vorwurf von den lieben Kollegen nicht auch gemacht?). So hat der Berno-Zurigo-Genfer Immobilienhai Jürg Stäubli, später auch der einheimische Verleger Roland Ray in den letzten Jahren ebenfalls versucht, den Genfern eine Alternative zu den Edipresse-Publikationen zu bieten – ohne Erfolg.
Das GHI-Communiqué erklärt diese Leistung mit der redaktionellen Haltung der Gratiszeitung in den Anfangsjahren: «GHI hatte einen aggressiven redaktionellen Ton, der vielen nicht passte, engagierte sich in Spitzenkämpfen, verteidigte Minderheiten und setzte sich sogar bei im Voraus verlorenen Angelegenheiten ein.
Sehr schnell hatte sie den Ruf einer Kritikerin erworben, fürchtete sich aber nie, Ungerechtigkeiten aufzudecken, im Gegensatz zu anderen Zeitungen, die eher auf ‹Vertuschung› machten.» Auch diese Arie ist reines Belcanto.
In Sachen Minderheiten verhält es sich eher so, dass die Gratiszeitung zeitweise im rechtspopulistischen Fahrwasser dümpelte. Dass sie zeitweise einen Kontrast zur «political correctness» der grossen Zeitungen setzte, kann jedoch nicht abgestritten werden.
GHI bezeichnet sich forsch als Nummer 1 in Genf
Mit anhaltendem Wachstum wurde das Blatt aber zunehmend zurückhaltender. Heute ist GHI ein Gratisanzeiger, wie es in Schweizer Städten viele gibt, mit einem grossen kommerziellen und einem weniger grossen redaktionellen Teil, in dem man bisweilen durchaus etwas Gutes finden kann.
Im GHI-Verteilungsgebiet (WG 11 und französisches Grenzgebiet) weist die Gratiszeitung 230000 Leser aus, wovon rund 216000 über die Distributionsfirma Epsilon bedient werden – der Rest der Bevölkerung kommt, so er will, via Zeitungskasten auf der Strasse zu seinem Exemplar. So bezeichnet sich GHI forsch als Nummer 1 der Genfer Presse.
Die Wochenzeitung wird bei der Schwestergesellschaft Sediprint in Genf produziert und im CIEG (Centre d’impression Edipresse Genève) gedruckt. Sie beschäftigt an die 50 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 20 Millionen Franken. Damit liege sie an erster Stelle aller Gratiszeitungen der Schweiz, heisst es bei GHI.
Mamma mia, che bel canto!

Weitere Artikel zum Thema