70 Prozent Hochstapler:innen beim Wirz-Cocktail?
Der traditionelle Wirz-Cocktail stand dieses Jahr ganz im Zeichen des «Imposter Syndrome» – also der diffusen Angst, als Hochstapler:in entlarvt zu werden. Ein spannendes Thema – und eine äusserst unterhaltsame Diskussion.
«Merken die irgendwann, dass ich gar nicht so gut bin, wie sie meinen?» Das erstmals 1976 diagnostizierte «Imposter Syndrome» beschreibt diese Angst, als Hochstapler entlarvt zu werden. Und gemäss Studien sehen sich rund 70% der Führungskräfte im Verlauf Ihrer Karriere mindestens einmal damit konfrontiert. Vor über 200 Gästen entwickelte sich dazu im Zürcher Aura eine äusserst unterhaltsame Podiumsdiskussion.
Begrüssung: «Wer fühlt sich als Hochstapler:in»?
Die Wirz-CEOs Petra Dreyfus und Livio Dainese stellten in ihrer Begrüssung die teilweise hochrangigen Vertreter:innen aus Wirtschaft und Kommunikation gleich auf den Prüfstand: mit der Frage, wer sich denn selbst schon einmal als Hochstapler in der eigenen Rolle gefühlt habe. Die weitaus meisten Hände im Saal gingen hoch, womit die Relevanz des Themas bestätigt war.
Als quasi professioneller Hochstapler spendete der Magier Pat Perry der Runde daraufhin etwas Trost, indem er ihr überzeugend vor Augen führte, dass sich Menschen grundsätzlich gerne hinters Licht führen lassen. Dann betraten Beatrice Tschanz, Timm Klose, Stefan Büsser und Dr. Elena Gross zusammen mit Moderatorin Mona Vetsch die Bühne und sorgten für eine der spannendsten Gesprächsrunden in der 52-jährigen Geschichte des Wirz-Cocktails.
Hochstapler-Syndrom als Motivationsfaktor
Bezeichnenderweise sei es schwierig gewesen, Podiumsgäste zu diesem heiklen Thema zu finden, erwähnte Mona Vetsch, die sich mit ihren 10-cm-Absätzen eingangs selbst als Hochstaplerin im direktesten Sinn outete. Beatrice Tschanz, heute noch hoch gefragte Kommunikationsberaterin und unvergessen für ihr souveränes Swissair Krisenmanagement, sorgte für viele spontane Bonmots. Sie enthüllte unter anderem, dass sie den Job bei der Airline angenommen hatte, weil der damalige CEO zu seinen eigenen Kommunikationsfähigkeiten ehrlich tiefgestapelt hatte. Der kürzlich zurückgetretene Profi-Fussballer Timm Klose sprach offen über den Spagat des Hochleistungssportlers zwischen dominantem Auftreten und der Schwierigkeit, von 60’000 Menschen bei jeder Ballberührung ausgepfiffen zu werden.
Elena Gross, gerade im Begriff, mit ihrem Unternehmen und einer neuen Migräne-Therapie im amerikanischen Markt Fuss zu fassen, schilderte die Omnipräsenz des Hochstapelns in der US-Kultur. Sie thematisierte auch die positive Energie, die aus dem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit entstehen könne – als Antrieb und Motivation, noch härter an sich zu arbeiten. Eine These, der sich der erfolgreiche TV-Moderator, Komiker und Unternehmer Stefan Büsser anschloss, der sich selbst – wie daraufhin auch die anderen Teilnehmenden – zu gelegentlichem «Fake it til‘ you make it» bekannte und von Beatrice Tschanz eindringlich zu mehr Schlafen aufgefordert wurde.
Zweifeln gehört zum Handwerk
Nachdem die Diskussion unter grossem Applaus zu Ende gegangen war, entliessen Petra Dreyfus und Livio Dainese die Gäste mit der schönen Erkenntnis in den gesellschaftlichen Teil des Abends, dass gelegentliche Selbstzweifel durchaus als Markenzeichen besonders talentierter und erfolgreicher Menschen zu werten sind. Und dass es wohl doch angenehmer ist, gelegentlich einige negative Social Media-Kommentare zu verkraften, als berufshalber von Zehntausenden aufgebrachter Menschen angebrüllt zu werden.