Zürich droht Werbestopp: Plakate am Pranger

Unter der Gastgeberschaft der Regionalkommission Deutschschweiz der KS/CS Schweiz wurde im Zürcher «Razzia» über die geplante Einschränkung der Aussenwerbung auf öffentlichem Grund diskutiert. Die Veranstaltung brachte klare Positionen, aber wenig Annäherung.

Blick ins gut besuchte Razzia im Seefeld. Wo einst Kinofilme abgespielte wurden, gab es am 26. November ein Podium zur Motion der AL-Partei Stadt Zürich, die kommerzielle Werbung aus der Limmatstadt verbannen will.

Werbeverbot als Schutz für den öffentlichen Raum?

Ein Verbot von Aussenwerbung auf öffentlichem Grund in der Stadt Zürich? Für Michael Schmid, Gemeinderat der Alternativen Liste und Initiator der Motion, ist dies ein notwendiger Schritt. Er argumentierte, dass die zunehmende Präsenz von Werbung, insbesondere dynamischer digitaler Anzeigen, die Qualität des öffentlichen Raums beeinträchtigt und Aufmerksamkeit sowie psychische Gesundheit der Bevölkerung belastet. Werbung, so Schmid, fördere Konsummuster, die angesichts ökologischer Herausforderungen kritisch zu hinterfragen seien. Zudem warnte er vor einer zunehmenden Dominanz grosser internationaler Player und forderte, kleineren, lokalen Akteuren mehr Raum zu geben.

Die Bedeutung von Plakaten für Stadt und Wirtschaft

Dieser Position widersprach Christoph Marty, CEO der Goldbach Group, entschieden. Für ihn ist Plakatwerbung ein bewährtes und vorbildlich reguliertes Medium, das in Zürich seit Jahren auf ökologisch nachhaltige Weise umgesetzt wird. Marty verwies darauf, dass die Stadt den Ausbau digitaler Werbeanlagen stark eingeschränkt habe und bestehende Anlagen mit Ökostrom betrieben würden. Gleichzeitig hob er die wirtschaftliche Belastung durch steigende Abgabenkosten hervor: «Die Abgaben an die Stadt sind in den letzten 15 Jahren von 7 Millionen auf über 28 Millionen Franken angestiegen. Gleichzeitig wurde die Anzahl der Werbeflächen auf öffentlichem Grund von 3’700 auf 3’000 reduziert.» Dieser wachsende Kostendruck erschwere es den Anbietern zunehmend, wirtschaftlich zu arbeiten, erklärte er.

Rolf Hiltl, Zürcher Gastrounternehmer (links) mit Urs Spinner, Hochbauamt Stadt Zürich im Talk zum drohenden Werbeverbot für Aussenwerbung in der Stadt Zürich

Auch Urs Spinner vom Hochbauamt Zürich hob die finanziellen Folgen eines Verbots hervor. Die jährlich generierten Einnahmen von über 30 Millionen Franken seien essenziell für die Finanzierung der städtischen Infrastruktur, darunter der Unterhalt von Haltestellen und öffentliche Dienstleistungen. Gleichzeitig betonte er, dass die Stadt bereits heute über strenge Richtlinien verfügt, die die Verträglichkeit und Qualität der Aussenwerbung sicherstellen.

Rolf Hiltl, Gastronom und Werbetreibender in Zürich, ergänzte die kulturelle Dimension der Aussenwerbung. Plakate seien Teil der Stadtgeschichte, erklärte er und verwies auf historische Kampagnen seines Unternehmens, die heute in Museen ausgestellt sind. Hiltl sprach sich gegen ein generelles Verbot aus, betonte aber, dass lokale Unternehmen durch die hohen Kostenstrukturen zunehmend unter Druck gerieten. Sonderregelungen zugunsten regionaler Akteure könnten hier einen Ausgleich schaffen, schlug er vor.

Links: Podium, Gesprächsleitung Matthias Ackeret. Mitte: Roland Ehrler, Direktor SWA. Rechts: Jürg Bachmann, Präsident ks/cs

Werbung als unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft

Auch Roland Ehrler, Direktor des Schweizerischen Werbeauftraggeberverbands, brachte seine Position klar zum Ausdruck. Werbung sei ein integraler Bestandteil einer funktionierenden Marktwirtschaft und ermögliche es, Produkte und Dienstleistungen sichtbar zu machen. Ein Verbot würde die Werbeausgaben verstärkt in digitale Kanäle umlenken, die weniger transparent reguliert seien, erklärte Ehrler. Plakatwerbung, so seine Argumentation, habe seit jeher auch eine kulturelle Komponente und gehöre zum öffentlichen Raum. Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wert dieses Mediums dürfe nicht unterschätzt werden.

Ein angespannter Ausblick

Die Podiumsdiskussion unter der Leitung von Matthias Ackeret zeigte deutlich, wie unvereinbar die Positionen bleiben. Während die eine Seite auf Entschleunigung und Konsumreduktion setzt, sieht die andere in Plakaten eine wichtige wirtschaftliche und kulturelle Säule des städtischen Lebens. Klar ist, dass diese Frage die Bevölkerung im Rahmen eines möglichen Referendums weiterhin beschäftigen wird – mit weitreichenden Konsequenzen für das Stadtbild und die Werbewirtschaft.

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